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Terra Mater

Terra Mater

Titel: Terra Mater
Autoren: P Bordage
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verschlossenes Kind, das oft vor dem Dornenstrauch des Narren kniete
und dann meistens Unverständliches murmelte. Von ihrer Mutter hatte Yelle das lange gewellte Haar und von ihrem Vater die graublauen Augen. Ihr Blick schien über Zeit und Raum hinwegzugleiten. Eine seltsame, verstörende Kraft ging von ihr aus. Und ihre kindliche Stimme glich einer schneidenden Klinge.
    »Welche anderen?«, fragte Tixu.
    »Jene, die den Ruf hören werden … Das Blouf gewinnt an Macht …«
    Ihr Vater runzelte die Stirn. »Das Blouf?«
    »Das alles verzehrende Böse. Gestern Abend sind sehr, sehr weit von hier zehn Millionen Sterne verschwunden. Wenn Shari zurückkehrt, braucht er Soldaten, um das Blouf zu stoppen.«
    »Vielleicht lebt Shari schon nicht mehr, Yelle«, sagte Aphykit und seufzte. »Seit über sieben Jahren haben wir keine Nachricht mehr von ihm erhalten.«
    »Shari lebt!«, antwortete das kleine Mädchen bestimmt. »Er kommt zurück.«
    »Warum bist du dir dessen so sicher?«
    »Die Blüten des Dornenstrauchs haben es mir gesagt. Wir müssen weiteren Pilgern helfen, auf Terra Mater zu kommen. Weil das Blouf jetzt die Seele der Menschen frisst, können sie immer weniger den Gesang der Quelle hören …«
    Yelle warf ihre Bettdecke von sich. Barfuß und nur mit ihrem Nachthemd bekleidet, lief sie über den verschneiten Dorfplatz und kniete vor dem Strauch. Dort betete sie mit ganzer Kraft – ein stummes Flehen durch Raum und Zeit.

ERSTES KAPITEL
    Im Jahr 16 des Ang-Imperiums, am 7. Tag des Monats Mehonius, wurde ich zum jüngsten Kardinal der Kirche des Kreuzes ernannt. Noch war ich von einem glühenden Eifer besessen. Ich gehörte zu jenen, durch jahrelange Unterweisung, diamantrein geschliffenen, aber auch unerbittlichen Seelen und brannte darauf, alle Heiden zu bekehren, die Feinde des Glaubens und die des Wahren Wortes. Beim Anblick der langsam auf den Feuerkreuzen sterbenden Häretiker brach ich in ekstatische Tränen aus … Das geschah lange vor dem Erscheinen des ersten Auslöscher-Scaythen …
    Am 10. Tag des Monats Mehonius wurde ich zum Stellvertreter seiner Heiligkeit, des Muffi Barrofill XXIV., auf dem Planeten Ut-Gen ernannt, der vor viertausend Standardjahren traurige Berühmtheit durch eine atomare Katastrophe erlangte, die drei Viertel der Bevölkerung auslöschte und die Hälfte seiner Oberfläche in Wüste verwandelte. Obwohl ich mir durchaus der Gefahren auf Ut-Gen bewusst war – atomare Verseuchung, Zerstörung der Zellen und somit frühzeitiges Altern, die Beta-Zoomorphie, eine ausgeprägte Form der Schizophrenie –, überwog die Freude über meine Ernennung. Die besorgten Mienen meiner Kardinalskollegen interessierten mich nicht, fühlte ich mich doch durch die himmlische Liebe der Kirche geschützt!
    Am 38. Tag des Monats Mehonius betrat ich eine der Deremat-Kabinen im Palast Venicias und erlangte siebenundzwanzig Standardminuten später in einem der Tempel der Kreuzkirche in Anjor, der Hauptstadt, wieder das
Bewusstsein. Ein paar Missionare, einige Diener und ein Inquisitor-Scaythe begrüßten mich dort. Eine Abteilung kaiserlicher Interlisten hatte mit der Unterstützung der Pritiv-Söldner die lokalen Herrscher ausgeschaltet und eine neue planetarische Regierung installiert: einen korrupten Haufen, der aus sechs Konsuln, Ministern und hohen Beamten bestand.
    Junge Leute, die Ut-Gen nicht kennen, sollten wissen, dass dieser Planet der einzig bewohnte im Sonnensystem des Gestirns Hares ist – obwohl die Lebensbedingungen dort sehr schwierig sind. Dieses Gestirn befindet sich seit zwanzig Millionen Jahren im Stadium des Verglühens. Deshalb wird es auf diesem Planeten seit dem Jahr 714 (nach dem alten Standardkalender) wegen der abnehmenden Strahlung von Hares immer kälter. Seit Jahrhunderten zählt die Ausbeutung von Uranerzen und dem darin enthaltenen seltenen Plutonium zur einzigen Ressource Ut-Gens. Zwischen den Jahren 950 und 3500 erlebte die aus den Skoj-Welten importierte Atomindustrie dort einen ungeheuren Aufschwung. Ut-Gen wurde zum interstellaren Zentrum der Kernenergie.
    Die Kernspaltung mit ihrer Energie- und Waffenproduktion, die per Atomoducti dem Planeten einen großen Reichtum bescherte, führte im Jahr 3519 deshalb fast zu seinem Untergang. Ein fürchterliches Erdbeben zerstörte die meisten Produktionsstätten, worauf radioaktive Wolken mehr als siebzehn Milliarden Menschen das Leben kosteten und den Planeten in zwei Zonen teilte: eine gesunde und eine
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