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Terra Anchronos (German Edition)

Terra Anchronos (German Edition)

Titel: Terra Anchronos (German Edition)
Autoren: Andree Leu
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Nichts rührte sich. Die Anzeige stand nach wie vor auf W. 179 Grad, 59 Minuten, 59 Sekunden. Erst mit der 60. Sekunde war der 180. Längengrad erreicht. Arne wusste nicht, welche Entfernung eine nautische Sekunde maß. Er hoffte nur inständig, dass die Strecke bald hinter ihm liegen würde. Noch einen Blick tat er über die Schulter.
    Der Vater war kurz hinter ihm. Plötzlich gab es ein fürchterliches Knirschen. Der Motor ging aus. Noch immer 59 Sekunden. Das Boot verlor augenblicklich an Geschwindigkeit. Der Vater stürzte. Sein Kopf blu-tete. Arne sah, dass die Leine des Rettungsringes in die Schraube gekommen sein musste. Er rüttelte am Steuerrad. Nichts tat sich. Das Boot trieb langsam vorwärts. 59. Sekunden. Arne schossen die Tränen in die Augen. Sein Vater rappelte sich auf. Blutend kam er näher. Noch wenige Zentimeter. 59 Sekunden.
    „Spring auf E !“, schrie Arne.
    Er spürte den Atem seine Vaters im Nacken.
    60. Zeitgleich tauchte das ersehnte E vor Arnes Augen auf. Er sah in das tiefblaue Wasser des Pazifiks.
    „Jetzt!“, schrie er und sprang.

Die Suche beginnt
    Arne hatte bei seinem Absprung noch die Hand des Vaters gespürt. Doch sie war zu spät gekommen. Ihr war kein fester Griff um das Fußgelenk des Jungen mehr möglich gewesen.
    Das war jedoch im nächsten Augenblick vergessen.
    Wieder hatte der Sprung über die Datumsgrenze in die Terra anchronos geführt. Auch dieses Mal hatte Arne sofort jedes Gefühl für Zeit verloren. Das Ende des Tunnels kam ihm jedoch bekannt vor. Er war an derselben Stelle gelandet wie beim ersten Mal zusammen mit Martha.
    Nachdem Arne sich vergewissert hatte, dass er allein und unbeobachtet war, kontrollierte er seine Uhr.
    Der Sekundenzeiger tickte nicht.
    Etwas Schlimmeres hätte nicht geschehen können. Arne spürte Panik in sich aufsteigen. War er nun für immer Gefangener in der Terra anchronos?
    Irgendwann würden die Subtektonen ihn entdecken.
    Er würde wieder in den schwarzen Raucher gesteckt.
    Ohne seine Uhr war er zum Sterben verurteilt.
    Dem Jungen wurde ganz heiß bei dem Gedanken.
    Noch einmal untersuchte er seine Uhr ganz genau.
    Er schüttelte sie, hielt sie dicht an sein Ohr. Nichts.
    Kein leises Klicken deutete an, dass die Zeit verstrich und gemessen wurde.
    Arne horchte auf. Da war leises Gemurmel zu hö ren. Der Junge machte sich so klein wie möglich und drängte seinen schmalen Körper dicht an eine Felswand. Sein Herz klopfte bis zum Hals. Er hielt den Atem an. Aus einem dunklen Gang sah er zwei Frauen kommen, die jede einen großen Haufen brauner Seile trugen. Zumindest sah es aus der Entfernung aus, als seien es Seile.
    „Das müssen Seegraswurzeln sein“, hauchte Arne.
    Er hatte bei seinem ersten Besuch in der Terra anchronos schon welche gesehen. Sie hingen wie Seile von den Decken der Gänge und Höhlen. Wie in unserer Turnhalle, dachte Arne.
    Die beiden Frauen waren so hoch mit den Wurzeln beladen, dass sie kaum über die Last hinwegschauen konnten. Sie sahen weder nach rechts noch nach links, waren allein damit beschäftigt, die Balance nicht zu verlieren. Die Frauen verschwanden in einem anderen Gang, ohne Arne zu bemerken.
    Der Junge widmete sich erleichtert wieder seiner Uhr. Er suchte nach einer Beschädigung des Gehäuses, die vielleicht die Ursache des Stillstands sein mochte.
    Zu seiner großen Erleichterung stellte er fest, dass der kleine Stift mit dem Stellrädchen bis zum Anschlag herausgezogen war. Der Vater hatte ihn wahrscheinlich ausprobiert und nicht wieder zurückgeschoben. Das tat Arne nun. Er sah zwar, wie in der kleinen Aussparung auf dem Zifferblatt seiner Uhr die Datumsanzeige eine Stelle weitersprang, doch schenkte er dem kei ne Beachtung. Größere Sorge bereitete ihm, dass der Stellmechanismus ein ungewöhnliches Knacken von sich gegeben hatte. Arne sah aber, dass der Sekundenzeiger wieder begonnen hatte, seine Runde zu drehen.
    Noch einmal hielt er die Uhr an sein Ohr und hörte das beruhigende Ticken.
    Arne sah sich um und beschloss, den Weg zu nehmen, der ihn mit Martha in die große Versammlungshalle geführt hatte. Behutsam und nur auf Zehenspitzen ging er in den dunklen Gang. Er wusste, dass kein Echo seine Schritte verraten würde. Dennoch glaubte er, dass zu große Eile ihn früher oder später verraten würde. Nur nicht unvorsichtig werden, dachte er und erinnerte sich an den schwarzen Raucher.
    Plötzlich hörte Arne vor sich ein Geräusch, das er nicht kannte. Oder doch? Waren das nicht die
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