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Teranesia

Titel: Teranesia
Autoren: Greg Egan
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erklären; er wollte sie nicht aus der Bahn werfen oder ihre Zuversicht erschüttern. Sie würde die Spur des Gens durch seinen Körper verfolgen und es bekämpfen. Ganz gleich, wie es funktionierte oder was es anstellte.
    *
    Als sich die Sonne aus dem Meer erhob, war kein Land in Sicht, obwohl Prabir durchs Fernglas im Westen den Gipfel von Teranesia erkennen konnte. Geradeaus erstreckte sich nur der Ozean. Sie würden Yamdena nicht vor Mitternacht erreichen.
    »Die ersten Ergebnisse«, sagte Madhusree. »Bist du bereit?«
    »Ja.«
    »Das São-Paulo-Gen ist in die spermatogenen Stammzellen integriert worden, zusammen mit dem üblichen Promotor.«
    Prabir nickte schicksalsergeben. Darauf war er vorbereitet, und ganz gleich, wie befleckt er sich jetzt fühlen mochte, durch eine Transplantation würde sich das Gen jederzeit vollständig entfernen lassen.
    »Aber es ist auch in den dermalen Stammzellen vorhanden. Mit einem anderen Promotor.«
    »In meiner Haut?« Er starrte sie an – eher verdutzt als erschrocken. »Warum?«
    Madhusree schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
    Prabir blickte auf seine Arme und Hände. Sie wirkten völlig normal. Er zog das T-Shirt hoch. Auf seinem Bauch befand sich ein glänzender Fleck, eine schwarzrote Stelle vom Durchmesser einer größeren Münze. Er berührte sie vorsichtig. Die Hautoberfläche fühlte sich genauso wie sonst an, aber als er Druck ausübte, um zu ertasten, was sich darunter befand, spürte er statt der üblichen Elastizität der Muskulatur den Widerstand eines Objekts, das hart wie Knochen war.
    »Es ist fest. Es ist eine Art Tumor.« Er war benommen vor Ekel. »Kannst du es mir herausschneiden? Bitte!«
    »Bleib ruhig«, sagte Madhusree.
    Prabir legte die Schwimmweste ab und zog sein T-Shirt aus, wobei er sich in der Eile beinahe die Nadel aus dem Arm gerissen hätte. Auf seiner Brust befanden sich zwei weitere Flecken. Er drehte sich herum, damit Madhusree seinen Rücken sehen konnte. »Da sind fünf«, gab sie bekannt, »etwa in derselben Größe.«
    »Du könntest mich mit der Betäubungspistole narkotisieren«, flehte er sie an. »Sie sitzen nicht sehr tief. Ich würde nicht allzu viel Blut verlieren.« Das Gen würde sich dadurch nicht aus seinem Körper entfernen lassen, aber das war ihm gleichgültig. Er wollte diese sichtbaren und spürbaren Zeichen seiner Anwesenheit entfernt haben.
    »Bereiten sie dir Schmerzen? Ein brennendes Gefühl? Sie könnten völlig gutartig sein.«
    »Gutartig?«
    Madhusree hob beide Hände, um ihn zu ermahnen, einen kühlen Kopf zu bewahren. »Wenn es keine Schmerzen und Blutungen gibt, ersetzen sie vielleicht nur die normale Dermis und dringen nicht in anderes Gewebe ein. Und wenn sie nicht entzündet sind, erzeugen sie zumindest keine Reaktion des Immunsystems.«
    Prabir atmete ein paarmal tief durch. Mit den Splittern einer Granate war er besser klargekommen als mit diesen Veränderungen seines Körpers. »Keine Schmerzen, keine Entzündung«, sagte er.
    »Okay. Ich werde etwas synthetisieren, das die Wachstumsfaktoren blockiert, das speziell auf die Rezeptoren der betroffenen Zellen zugeschnitten ist. Damit müsste der Vorgang zumindest stabilisiert werden können.«
    »Das kannst du tun?«
    »Natürlich. Das ist eine Laboraufgabe aus dem zweiten Studienjahr: ›Hier ist eine Organkultur mit einem unbekannten Tumor. Charakterisieren Sie den Tumor und stoppen Sie sein Wachstum.‹« Madhusree warf ihm einen zärtlichen Blick über die schmale Wasserstraße zwischen den Booten zu. »Das bringen wir wieder in Ordnung! Wir brauchen nur ein wenig Geduld. Wir werden Yamdena erreichen, dann Darwin, dann Toronto. Dann machen wir dich wieder gesund.«
    *
    Während Madhusree an den Wachstumsblockern arbeitete, wurden die glänzenden Hautstellen größer und dicker. Weitere sprossen ihm auf den Armen, Beinen und Pobacken. Es war seltsam, ihr Vorhandensein zu spüren, wenn er sich bewegte, aber sie bereiteten ihm praktisch keine Schmerzen. Prabir tröstete sich mit ihrer Nutzlosigkeit; das São-Paulo-Gen verhielt sich genauso ziellos und unvernünftig wie ein Virus, das in einen völlig neuen Wirt geriet. Lepra hätte in etwa dieselben Konsequenzen für seine Fortpflanzungsaussichten gehabt. Er hatte bisher kaum gewagt, sich diese Befürchtung einzugestehen, aber als sie die Insel der Mangroven hinter sich gelassen hatten, hatte er gedacht: Es könnte die Macht haben, alles zu bewirken. Es könnte sogar bewirken, dass ich meine
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