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Tempus (German Edition)

Tempus (German Edition)

Titel: Tempus (German Edition)
Autoren: Maud Schwarz
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schrecklicher Tag. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, was Dennis und die anderen zu meiner neuen Frisur sagen würden. Wäre ich doch gestern bloß nicht zum Friseur gegangen. Schlimm genug, dass ich so aussah, wie ich aussah. Ihre dummen Sprüche wollte ich nicht auch noch ertragen. Als der Bus an der nächsten Haltestelle stoppte, stieg ich kurzerhand aus. Unschlüssig stand ich im Regen. Am liebsten wäre ich direkt nach Hause gefahren, was leider nicht ging, denn Heddas Dienst begann mittwochs immer etwas später. Ich musste also wohl oder übel die Zeit, bis sie das Haus verließ, irgendwie totschlagen. Aber wie? Da mir nichts Besseres einfiel, beschloss ich, mich zu Fuß auf den Rückweg zu machen. Dafür würde ich schätzungsweise eine Stunde brauchen. Bis dahin war Hedda hoffentlich verschwunden. Langsam stapfte ich durch den Regen, der immer heftiger wurde. Wie so häufig hatte ich keinen Schirm bei mir. Es gehörte einfach nicht zu meinen Gewohnheiten, einen mitzunehmen. Innerhalb weniger Minuten war ich nass bis auf die Haut. Leise vor mich hin fluchend kam ich zu Hause an. Hedda war, wie ich gehofft hatte, fort. Auf der Treppe fand ich einen Zettel von ihr:
    Liebe Elina,
    alle Heizkörper im Haus sind kalt. Gerade habe ich es gemerkt. Ich habe einen Monteur angerufen. Er will heute zwischen 15 und 16 Uhr kommen. Auf Deinem Handy konnte ich Dich mal wieder nicht erreichen. Ich habe Dir auch für alle Fälle eine SMS geschrieben.
Hoffentlich bist Du rechtzeitig zurück und kannst den Mann reinlassen. Sonst müssen wir heute Abend frieren.
    Hab einen schönen Tag,
Deine Mum.
    Verdammt! Das hörte sich alles andere als gut an. Bestimmt gab es jetzt nicht einmal heißes Wasser! Ich tappte genervt ins Badezimmer, das nicht mehr ganz neu war, was man an den schwarz-weißen Fliesen unschwer erkennen konnte. Im Vergleich zu den Bädern, die ich aus Afrika kannte, war es allerdings geradezu luxuriös.
    Ich testete das Wasser am Waschbecken. Es wurde warm. Glück gehabt! Ich zog meine nassen Sachen aus, legte sie über den Badewannenrand und stellte mich für eine halbe Stunde unter die heiße Dusche. Langsam kam wieder Leben in meinen Körper.
    Etwas besser gelaunt suchte ich aus meinem Kleiderschrank einen warmen Pullover und eine Jeans hervor, schlüpfte hinein, wickelte mich in eine Wolldecke und setzte mich mit einem Becher heißen Kakao bewaffnet vor den Computer. Viel Lust hatte ich nicht, mich mit meinem Referat zu beschäftigen. Mit noch leicht klammen Fingern tippte ich Julius Cäsar in das Suchfeld von Google und drückte die Entertaste. Auf der Stelle spuckte die Suchmaschine unzählige Ergebnisse aus. Ich klickte aufs Geratewohl auf den ersten Link und landete bei Wikipedia. Ich dachte kurz an Herrn Berglunds Warnung, dann fing ich an zu lesen.
    Cäsar hatte zwischen 100 und 44 vor Christus gelebt, erfuhr ich. Im Jahr 59 wurde er erstmalig zum römischen Konsul gewählt. Ein Jahr später ging er nach Gallien, wo er bis 49 vor Christus Statthalter war. Richtig, ich erinnerte mich, wir hatten darüber in der Schule im Lateinunterricht gesprochen, als wir uns durch einige Seiten von Cäsars Werk Der Gallische Krieg quälen mussten. Aus diesem Buch stammte meines Wissens auch das berühmte Zitat veni, vidi, vici, was bedeutete ich kam, ich sah, ich siegte . Ich schnitt eine Grimasse. Das würde ich auch gern mal von mir behaupten. Mein Schicksal schien eher zu sein: Ich kam, sah und verlor alles!
    Mit einem Seufzer studierte ich bei Wikipedia die Passagen über den Gallischen Krieg, ohne jedoch einen Hinweis auf das Zitat zu finden. Dafür stieß ich auf Informationen, die ich lieber nicht gelesen hätte. Die Vorstellung, dass Cäsar nach der Niederwerfung eines Aufstandes allen Gefangenen die Hände abhacken ließ, um ein Exempel zu statuieren, erzeugte bei mir einen Brechreiz.
    Ich konnte die Schmerzensschreie der Gallier förmlich hören. Unzählige Hände sah ich vor meinem inneren Auge durch die Luft fliegen und dumpf auf die Erde aufschlagen. Rotes warmes Blut, das einen süßlich-metallischen Duft verströmte, floss bächeweise über den morastigen Boden.
    Ich schüttelte mich, um die furchtbaren Bilder, Gerüche und Schreie in meinem Kopf loszuwerden.
    Was sollte ich mit diesen abscheulichen Fakten bloß anfangen? Waren sie wichtig oder nur dazu gut, Sensationslust zu befriedigen und Ekel zu erzeugen? Kriege waren grausam. Musste ich wirklich wissen, wie die Grausamkeiten im Einzelnen aussahen? Wer
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