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Tempus (German Edition)

Tempus (German Edition)

Titel: Tempus (German Edition)
Autoren: Maud Schwarz
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Details brauchte, war vermutlich bereits völlig abgestumpft. Und wer abgestumpft war, brauchte keine Informationen mehr. Wozu?
    Interessant fand ich allerdings den Hinweis, dass selbst Zeitgenossen Cäsars Vorgehen als äußerst brutal empfunden hatten. Schon ein paar Jahre zuvor war er gegen germanische Stämme derart grausam vorgegangen, dass der römische Senat überlegt hatte, ihn an seine Kriegsgegner auszuliefern. Entweder waren die Senatoren besonders anständige Menschen gewesen, was eher unwahrscheinlich war, oder sie hatten darin eine gute Gelegenheit gesehen, sich Cäsar ein für alle Mal vom Hals zu schaffen, überlegte ich. Hätten sie ihn mal ausgeliefert! Dann müsste ich jetzt nicht mehr weiterrecherchieren, sondern wäre mit meinem Referat so gut wie fertig.
    Immer noch auf der Suche nach dem Zitat, las ich als Nächstes, dass während des Krieges eine Million Gallier gestorben und genauso viele gefangen genommen und versklavt worden waren. Wichtig oder unwichtig? Spielten Zahlen in diesem Zusammenhang überhaupt eine Rolle? Warum war es bemerkenswerter, wenn viele Menschen starben, als wenn nur ein einziger ums Leben kam? Ich seufzte erneut. Das Thema hob nicht gerade meine Stimmung. Eigentlich hatte ich nur nachsehen wollen, woher veni, vidi, vici stammte.
    Ich beschloss, die drei Worte zu googeln, was ich gleich hätte machen sollen. Bereits nach wenigen Klicks fand ich heraus, dass Cäsar ich kam, ich sah, ich siegte nicht während des Gallischen Krieges ausgerufen hatte, sondern nach einer Schlacht in Kleinasien. Genau genommen hatte er es in einem Brief an einen Freund im Jahr 47 vor Christus geschrieben. Vor seiner Zeit in Gallien also. Nein, gar nicht wahr, erst danach! Dass die Zahlen mit fortschreitender Zeit kleiner statt größer wurden, brachte mich ganz durcheinander.
    Zum besseren Verständnis malte ich auf ein Stück Papier einen Pfeil, der von links nach rechts zeigte. In der Mitte des Pfeils machte ich einen kleinen Strich. Das war der Zeitpunkt von Christi Geburt, der Nullpunkt also. Ganz weit rechts davon, kurz vor der Pfeilspitze zeichnete ich ebenfalls einen Strich und schrieb unser aktuelles Jahr dazu. Hier lebten wir. Wenige Zentimeter links vom Nullpunkt entfernt: eine weitere Markierung. Das sollte 100 vor Christus sein, das Geburtsjahr von Cäsar. Ein Stückchen rechts davon, kurz vor dem Nullpunkt, zeichnete ich einen letzten Strich und schrieb 44 daneben. Das Jahr, in dem Cäsar im Senat ermordet worden war. Zwischen 100 und 44 machte ich eine geschweifte Klammer. Das war die Zeitspanne, in der er gelebt hatte. Nur 56 Jahre umfasste sie.
    In diesem Moment klingelte es an der Haustür. Erschreckt fuhr ich hoch. Durch die Arbeit am Computer hatte ich alles um mich herum vergessen. Ich schaute auf die Uhr. Es war kurz vor vier. Wie gut, der Monteur kam endlich! Erst jetzt merkte ich, wie kalt mir wieder geworden war.

Unverhoffte Einladung

    Ich öffnete die Tür und machte sofort einen Schritt zurück. Der junge Mann vor mir grinste. Anscheinend war er derartige Reaktionen gewöhnt.
    »He! Ich bin Jonas. Ich soll nach der Heizung sehen«, sagte er.
    Völlig entgeistert starrte ich auf die breiten Schultern vor mir, von denen ich mir nicht vorstellen konnte, dass sie durch irgendeinen Türrahmen passten. Jonas war ein Riese; er hatte raspelkurze Haare, durch die ich seine Kopfhaut schimmern sah, einen Ring in jedem Ohr und Tattoos auf den Unterarmen. Typen wie ihn kannte ich bestenfalls aus dem Fernsehen.
    »Komm rein«, sagte ich eingeschüchtert und machte ihm Platz.
    Jonas zwängte sich mit seinem Werkzeugkasten an mir vorbei in die Diele. »Wo ist denn die Heizung?«, fragte er. Seine Stimme klang ungefährlich; eigentlich sogar richtig nett.
    »Wir haben in jedem Zimmer eine«, antwortete ich.
    Jonas schnitt eine Grimasse: »Ich meine, die Heizungsanlage!«
    »Ach so. Ich weiß nicht genau. Ich glaube, im Keller.«
    »Schon klar, aber woooo ist der Keller?« In Jonas’ Augen blitzte es.
    »Dort geht’s runter.« Mit rotem Kopf zeigte ich auf die Kellertür. Ich musste einen ziemlich dämlichen Eindruck auf ihn machen.
    Ehe ich mich versah, war Jonas zur Tür gelaufen und eilte zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hinunter. Für seine Statur wirkte er erstaunlich leichtfüßig. Während ich noch darüber nachdachte, ob ich ihm folgen sollte, kam er bereits wieder hoch.
    »Mit der Anlage scheint alles in Ordnung zu sein. Ich kann da nichts finden. Ich gucke mir
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