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Tempelhyänen

Tempelhyänen

Titel: Tempelhyänen
Autoren: Glen Cook
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auch, weil die Sache lange her war und in einer Zeit passiert war, an die ich mich nicht erinnern wollte. Ich habe seit meiner Entlassung versucht, die fünf Jahre bei den Marines zu vergessen.
    »Wir waren Nachbarn, im dritten Stock. Ich war verrückt nach Ihnen. Aber Sie haben mich kaum beachtet. Ich wäre auch gestorben, wenn Sie es getan hätten.«
    »Tut mir leid.«
    Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Ich heiße Jill Craight.«
    Der Name paßte zu ihr. Sie sah aus wie eine Jill, bis hin zu den bernsteinfarbenen Augen, die eigentlich glühen sollten. Doch in ihnen schimmerte nur arktische Wildnis. Aber sie hatte keine Ähnlichkeit mit irgendeiner Jill, die ich jemals kennengelernt hatte, neun Jahre alt oder älter.
    Wäre sie eine andere Jill gewesen, hätte ich sicher einen Vorschlag zum besten gegeben, wie wir die verlorene Zeit wiedergutmachen können. Doch ihre Kälte hielt mich davon ab. Meine Zurückhaltung würde mir bestimmt ein Lob und eine Streicheleinheit einbringen, sollte ich das nächste Mal zur Beichte gehen. Falls ich das tun würde. Das letzte Mal war ich da, als ich ungefähr neun war. »Offenbar sind Sie ja während meiner Abwesenheit über mich weggekommen. Ich hab Sie bei meiner Heimkehr nicht am Pier stehen sehen.«
    Mein Urteil über sie war gefällt. Offenbar hatte sie alle Register gezogen, um an Dean vorbeizukommen, aber jetzt war das Feuer erloschen. Sie nutzte Menschen aus. Es wurde Zeit, daß sie aufhörte, sich auf dem Stuhl zu rekeln und dessen Besitzer vom Mittagessen abzuhalten. »Sie sind doch bestimmt nicht vorbeigekommen, um über die alten Zeiten in der Peach Street zu plaudern.«
    »Pymeallee«, verbesserte sie mich. »Vielleicht stecke ich in Schwierigkeiten. Möglicherweise brauche ich Hilfe.«
    »Das tun alle Leute, die zu mir kommen.« Irgend etwas hielt mich davon ab, sie schon jetzt rauszuwerfen. Ich musterte sie noch einmal von oben bis unten. Was nicht gerade besonders unangenehm war.
    Sie war unauffällig gekleidet. Ihre Klamotten waren konservativ und teuer. Offenbar Maßanfertigung, und sie standen ihr großartig. Das drängte einem die Vermutung auf, daß sie Geld hatte, aber das mußte nicht automatisch so sein. In meinem Viertel tragen manchmal Leute alles auf dem Leib, was sie besitzen. »Erzählen Sie.«
    »Das Haus, in dem wir wohnten, ist abgebrannt, als ich zwölf war.« Eigentlich hätten jetzt die Glocken bei mir läuten müssen, aber sie taten es nicht. Noch nicht. »Meine Eltern kamen dabei ums Leben. Ich habe kurz bei meinem Onkel gewohnt. Wir kamen nicht miteinander aus. Also bin ich weggelaufen. Ein Leben auf der Straße ist nicht besonders angenehm für ein Mädchen ohne Familie.«
    Das stimmte. Vermutlich hatte sich damals der Eisberg in ihr gebildet. Nichts sollte sie berühren, ihr nahe kommen oder ihr noch einmal weh tun können. Niemals. Aber was hatte ihr Gestern damit zu tun, daß sie heute hier war?
    Die Menschen kommen zu mir, weil sie spüren, daß ihnen eine Katastrophe im Nacken sitzt. Vielleicht geht es ihnen ja schon besser, wenn sie einfach nur durch meine Tür latschen. Und möglicherweise wollen sie nur einfach nicht so schnell wieder rausgehen. Was auch immer der Grund sein mag, sie spielen jedenfalls alle auf Zeit und sprechen über alles, nur nicht über das, was sie wirklich belastet. »Kann ich mir vorstellen«, sagte ich.
    »Ich hatte Glück. Ich sehe gut aus und bin nicht doof. Also habe ich meinen Verstand angestrengt und Beziehungen geknüpft. Es ist gut für mich gelaufen. Mittlerweile bin ich Schauspielerin.«
    Das konnte alles und nichts bedeuten. Es war eine hohle Phrase, mit der Frauen versuchen, unangenehme Wahrheiten zu verschleiern und Körper und Geist irgendwie zusammenzubringen.
    Ich grunzte aufmunternd. Man kann Garrett alles mögliche nachsagen, aber nicht, daß er seine Klienten entmutigt.
    Dean steckte seinen Kopf zur Tür rein, um sich davon zu überzeugen, daß ich nicht rabiat geworden war. Ich tippte gegen meinen Humpen.»Mehr Mittagessen.« Es sah nach einer langwierigen Belagerung aus.
    »Ich habe einige sehr wichtige Freunde gewonnen, Mr. Garrett. Sie schätzen mich, weil ich zuhören kann. Und weil ich verschwiegen bin.«
    Ich konnte mir ungefähr vorstellen, was für eine Schauspielerin sie war. Vermutlich leistete sie dieselben Dienste wie ein Straßenmädchen, wurde aber besser dafür bezahlt, weil sie bei der Arbeit lächelte und stöhnte.
    Wir müssen tun, was wir tun müssen. Ich
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