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Tee macht tot

Tee macht tot

Titel: Tee macht tot
Autoren: Monika Clayton
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nicht dastehen. Nicht vor Esther! Also blieb er sitzen und legte zaghaft seine Hand um Esthers. Als Mann wollte er ihr die Unterstützung zukommen lassen, die sie jetzt benötigte.
    Verwundert sah sie ihn an und lächelte.
    „Und wenn wir sie beide einfach liegen lassen?“, wagte Lenni einen anderen Vorschlag.
    „Wenn wir sie liegen lassen, wird die Polizei sicherlich herumschnüffeln. Sie werden überall unsere Fingerabdrücke finden.“ Esther wurde bei ihrem nächsten Gedanken Angst und Bange. „Was, wenn sie Agatha obduzieren?“ Ach hätte sie Agatha doch nicht so unüberlegt den Tee gegeben, schalt sie sich. Das hatte sie nun davon, dass sie sich nicht an ihren regulären Donnerstag gehalten hatte und dass sie ungefragt den Tee verabreicht hatte. Kein Wunder, dass Agatha verstimmt darüber reagiert hatte.
    Esther fühlte Lennis warme Hand auf der ihren liegen, von dieser Geste beflügelt, oder vielleicht lag es auch an der Atmosphäre, die in diesem Kunstraum hing, reifte in Esthers 83-jährigem Gehirn ein neuer Plan heran.
     
     
     

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    „Wir müssen loslegen, bevor mit ihnen nichts mehr anzufangen ist“, meinte Esther antreibend.
    Während sie selbst mit Lenni zusammen alle Kraft aufwandte, die beiden vor sich hinstarrenden Menschen auf einen Stuhl zu hieven, machte sich Ingrid auf den Weg, um den Karton aus dem angrenzenden kleinen Materialraum zu holen.
    Agatha weigerte sich etwas - wie immer - aber das war wohl dem Umstand zu verdanken, dass bei ihr die Leichenstarre schon fortgeschritten war. So setzten sich die drei Lebenden zu den zwei Toten an den Tisch. Etwas unschlüssig guckten sie sich stumm an. In der Mitte des Tisches stand der große Karton, den Ingrid bereitstellen sollte. Bis zum Rand war er mit Gipsrollen gefüllt. Ob er reichen würde, konnte Esther zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen, aber zur Not wäre noch eine weiterer im Vorratsraum bereitgestanden. Unter Esthers Anleitung, die in dem Gipskurs viel gelernt hatte, schnitten sie 20 cm große Streifen von den Rollen und legten sie zurecht. Fleißig arbeiteten sich Lenni, Ingrid und Esther Rollo um Rolle voran, während Agatha und der Knopf dabei zusahen.
    „Ist es so recht?“, hatte Lenni immer wieder wissen wollen. Dass er wirklich hier saß und dies tat, wollte in seinem 92-jährigen Gehirn immer noch keinen Platz finden.
    „Sicher Lenni! Und wenn nicht, ist es auch egal“, beruhigte Esther gutmütig. Sie fühlte, dass ihm eigentlich etwas anderes auf dem Herzen lag.
    „Was ist los, Lenni?“ Esther legte die Schere nieder und schaute ihn an.
    Lenni überlegte, wie er weitersprechen sollte. Vielleicht war der Zeitpunkt, darüber zu reden, nicht gerade der günstige. Und so, zwischen all den Zuhörern, war es ihm doch etwas peinlich. Er druckste etwas herum, letztlich nahm er all seinen Mut zusammen und fragte: „Hast du eigentlich je wieder an einen Mann gedacht, seit dem Tod deines Mannes?“ Verlegen sah Lenni stur auf die Tischplatte.
    „Nein“, lachte Esther auf. „Dafür fehlt mir nun wirklich die Zeit. Du weißt doch, wie meine Tagesplanung aussieht! Wie um alles in der Welt sollte da ein Mann hineinpassen?“
    „Ich weiß nicht. Wenn man es will, findet sich doch immer ein Weg.“
    Angestrengt guckte Esther Lenni an. „Willst du mich um ein Stelldichein bitten?“
    Ingrid lächelte in sich hinein. Irgendetwas sagte ihr, dass Lenni wahrhaftig und ernsthaft verliebt war. Während sie hier zwischen den Toten saßen, entwickelte sich vor ihren Augen etwas Lebendiges. Etwas Zartes, wogegen man sich selbst im Alter nicht wehren konnte.
    Verhalten schaute Lenni auf. „Nein! Das würde ich nie bei dir wagen. Dafür finde ich dich viel zu bezaubernd“, flüsterte er.
    „Du findest jede Frau bezaubernd“, witzelte Esther, um ihr freudiges Gefühl darüber zu verbergen. Seit Karlis Tod hatte sie nie mehr bei einem Mann Schmetterlinge im Bauch gehabt.
    „Hmm …, bei dir ist es aber etwas anders“, widersprach Lenni vorsichtig.
    „Ach Lenni!“, seufzte Esther auf. „Dass du so alt werden musstest, um zu wissen, was Liebe ist! Ist das nicht seltsam?“
    „Ich dachte immer, es sei Liebe, bis ich dir das erste Mal begegnet bin. Weißt du noch, in deiner ersten Woche hast du mir am Frühstückstisch dieses Lächeln geschenkt. Das war so … so … umwerfend. Ein bisschen schüchtern, aber da konnte ich schon sehen, dass du etwas Besonderes bist. Dann hast du dich für alle möglichen Aktivitäten begeistert
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