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Tee macht tot

Tee macht tot

Titel: Tee macht tot
Autoren: Monika Clayton
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hoch.
    Schluckend saß er im Bett und schüttelte sich den Traum ab. Knurrig warf er die Decke zurück und ging in die Küche. Dort saß er mitten in der Nacht am Küchentisch und legte seinen Kopf auf die Tischplatte. So wie er es die ganzen letzten Monate getan hatte. Zehn Minuten blieb er reglos sitzen und starrte vor sich hin. Danach stand er auf und brühte sich einen Kaffee auf. Die Tasse in der Hand, tigerte er mit leerem Blick durch das Haus.
    Die Stille war kaum zu ertragen. Er vermisste das Schleudern der Waschmaschine, sogar den Duft nach Gebratenem und die nächtlichen Putzanfälle seiner Mutter. Verdammt, er vermisste seine Mutter. Unschlüssig stand er vor ihrer Zimmertür, überlegte kurz, und dann legte er sich für den Rest der Nacht in ihr Bett.
     
    Seine täglichen Besuche in St. Benedikta waren von Müdigkeit begleitet. Jetzt, wo er eigentlich, die Nächte hätte schlafen können, saß er vor seinem Rechner und stellte Recherchen an. Über das Alter an sich, über Alterskrankheiten, alternative Betreuungsmöglichkeiten, Lebenserwartung im Altenheim. Gerade im Hinblick auf die Lebenserwartung waren die Aussichten nicht rosig.
    Balthasar Sebastian Rohrasch gestand sich ein, dass er mit St. Benedikta nicht die beste Entscheidung seines Lebens getroffen hatte. Und Entscheidungen hatte er schon wirklich viele treffen müssen. Wie falsch sie aber wirklich waren, musste Balthasar Sebastian Rohrasch feststellen, als bei einem seiner täglichen Besuche seine Mutter fixiert im Rollstuhl saß. Er wäre kein guter Sohn gewesen, wenn er nicht gefragt hätte, was das zu bedeuten hätte. Schrecklich war der Anblick, aber offensichtlich eine gängige Methode.
    Sie sei eine sehr schlagkräftig alte Dame, erklärte Stulp ihm beruhigend und die Entscheidung, gemeinsam mit dem Heimarzt sei nur zu ihrem eigenen Schutz und dem der anderen.
    Der Stulp war offensichtlich kein Mensch, der seine Entscheidungen ordentlich durchdachte. Denn warum sonst kam man auf so eine Idee?
    Balthasar Sebastian Rohrasch sah es als seine Aufgabe an, Stulp seine Unterstützung anzubieten. Nach eingehender Recherche, unter analytischen Gesichtspunkten betrachtet und unter Zuhilfenahme seiner Statistikkenntnisse, war die Lösung schnell gefunden: Solche Patienten, wie seine Mutter, benötigten mehr Aufmerksamkeit und Betreuung. Mit einer bis zwei weiteren Fachkräften ließe sich das Problem sicherlich schnell lösen.
    Das sei undenkbar, wies der Stulp empört diese abstruse Idee zurück. Das Heim trage sich gerade mal so selbst, mit mehr Personal könne er es doch gleich an die Wand fahren.
    Er sei Finanzanalyst stellte der Rohrasch daraufhin klar, und er wisse sehr wohl, wie ein Unternehmen Gewinn abwerfe. Hier und da einige Veränderungen, dann ließe sich aus St. Benedikta ein finanziell gut gestelltes Heim machen, dem es auch nicht an Personal mangeln würde. Gegen die Verbohrtheit, des alten unsympathischen Stulp kam Balthasar Sebastian Rohrasch jedoch nicht an.
    „Abgelehnt!“, verwies der Heimleiter ihn des Büros.
     
    Aber der Rohrasch wäre nicht der Rohrasch gewesen, wenn er bei einmal gewonnenen Erkenntnissen locker gelassen hätte. St. Benedikta war seinem Geschmack nach viel zu unorganisiert. Dieses ständige Kommen und Gehen, der unregelmäßige Tagesablauf, die nicht durchdachten Zimmerbelegungen, alles das ließ ihn schwindlig werden. Wie sollte ein alter Mensch wie seine Mutter hier nur Beständigkeit empfinden, fragte er sich.
    Balthasar Sebastian Rohrasch beendete sein Studium der Zwischenmenschlichkeit, das er theoretisch ohnehin voll drauf hatte, denn nun galt es, sich ein neues Wissensgebiet anzueignen. Das Studium über das Leben und die Sterbegewohnheiten der alten Leutchen wurde zur Mission. Bald war Balthasar Sebastian Rohrasch der Meinung, dass eine bessere Grundversorgung die hohe Todesrate dieses Heims sicherlich verbessern würde. Effizientere Zimmerbelegungen würden Probleme der Alterseinsamkeit lösen. Ähnliche Interessen sollten in einem Stockwerk zusammengelegt werden. Der Stulp würde sehen, wie gut das den alten Menschen tun würde.
    Und so mischte er sich bei jedem Besuch ungefragt in den Heimalltag ein. Immerzu sah sich Heimleiter Stulp mit neuen Erkenntnissen konfrontiert. Erkenntnisse, die dieser Rohrasch aus dem Internet zog. Statistisch gesehen, wäre der Rentner besser mit diesem und jenem versorgt.
    Heimleiter Stulp raufte sich die Haare, noch bevor Balthasar Sebastian Rohrasch überhaupt
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