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Tee macht tot

Tee macht tot

Titel: Tee macht tot
Autoren: Monika Clayton
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Sicherlich steckte seiner Mutter der Schlafmangel ebenfalls in den Knochen, suchte er eine Entschuldigung für das ungemachte Bett. Weiter kam er nicht, denn gleich darauf war er auch schon eingeschlafen.
    Dass sich das Szenario der letzten Nacht jedoch wiederholen und wiederholen sollte, daran hätte er im Traum nicht gedacht.
     
    Regelmäßig, gegen zwei Uhr, bekam er Besuch, und bereits im Morgengrauen zog der Duft von Sellerie, Knoblauch oder Zwiebeln durch das Haus. Warum nicht wenigstens Kuchen, verzweifelte er.
    Unzählige Erklärungsversuche, dass es mitten in der Nacht sei, prallten auf Unverständnis. Zum ersten Mal war Balthasar Sebastian Rohrasch ratlos. All seine Analysen und Statistiken halfen ihm in diesem Fall nicht weiter, so sehr er sich auch bemühte. Über alte Menschen wusste er einfach zu wenig. Und während er sich unermüdlich von den Gewohnheiten, Krankheiten und Eigenheiten alter Menschen ein Bild zu machen versuchte, schritt die senile Bettflucht seiner Mutter unaufhaltsam voran.
    Tief im Netz glaubte er, die Lösung seines Problems endlich gefunden zu haben. Er verbot seiner Mutter einfach, sich tagsüber hinzulegen. Vielleicht hätte es funktioniert, hätte sich nicht auch noch eine Krankheit hinzugesellt, die weitläufig als die Alzheimer-Krankheit bekannt war. Wieder fing er bei null an und war keineswegs auf das vorbereitet, was ihn noch erwartete.
     
    Eines Nachts, er befand sich im Tiefschlaf, traf ihn völlig unvorbereitet etwa Hartes auf den Kopf. Der Schreck und der höllische Schmerz ließen ihn aus dem Bett springen, was seine Mutter, als Angriff auf ihre Person verstand. Und weil sie nicht wusste, wer er war und was er hier zu suchen hatte, holte sie erneut aus und traf ihn abermals. Sie schlug und schlug.
    Balthasar Sebastian Rohrasch blieb nichts anderes übrig, als abzuhauen. Seinem alten Mütterchen hätte er diese Kraft, die sich in ihren Schlägen offenbarte, niemals zugetraut, doch von da an wusste er, dass man ein altes Mütterchen keinesfalls unterschätzen durfte. Die blauen Flecken, die er davon trug, taten ihm Tage danach noch weh.
    Um ihrem nächsten Angriff vorzubeugen und um sie zu irritieren, richtete er sich ein Schlaflager in seinem Computerzimmer ein. Doch auch den Sherlock-Holmes-Instinkt eines alten Mütterchen durfte man nicht unterschätzen: Natürlich spürte sie ihn auf und briet ihm eins über.
    Daraufhin versteckte er ihren Besen, den sie jedoch genauso entdeckte wie ihn.
    Er liebte seine Mutter wirklich, doch welche Alternativen hatte er noch?
    Völlig überfordert, warf er den Besen in den Kamin und ersetzte diesen durch einen Plastikfeger. Doch wenn er geglaubt hatte, dass nun ein schmerzfreies Schlafen möglich sei, irrte er sich gewaltig.
    Wie gewaltig spürte er, als Mutter Rohrasch mit dem Nudelholz den vermeintlichen Eindringling aus ihrem Haus verjagte. Da jedoch Angriffe mit dem Nudelholz weit schlimmer waren und mehr Schmerzen verursachten, kaufte er ihr einen neuen Holzbesen, den er zu seinem eigenen Schutz mit Schaumstoff überzog.
     
     

3
     
     
    All seine Analysen, all seine Statistiken konnten ihm nicht weiterhelfen. Hilflos stand er dem Problem Alter gegenüber. Er wusste, er musste eine Entscheidung treffen, allein und ohne professionelle Hilfe käme er nicht weiter.
     
    Im allwissenden Netz stieß er auf St. Benedikta. Nicht weit entfernt und rein äußerlich machte es einen idyllischen Eindruck.
    Heimleiter Stulp, ein alter unsympathischer Mann, dem seine Betriebsblindheit förmlich aus dem Gesicht sprang, versicherte Balthasar Sebastian Rohrasch, eine gute Entscheidung getroffen zu haben. Seine Mutter sei bestens in St. Benedikta aufgehoben. Mit einem mulmigen, dumpfen Gefühl der Hilflosigkeit verabschiedete er sich von seiner Mutter. Aber was blieb ihm anderes übrig, als den Worten von Stulp Glauben zu schenken?
    Hätte er geahnt, dass seine Mutter in diesem Haus sich mehr oder weniger selbst überlassen blieb und dass sie nicht mehr lange leben würde, hätte er sicherlich kehrt gemacht. Samt seiner Mutter.
     
    Die erste Nacht wälzte sich Balthasar Sebastian Rohrasch unruhig im Bett. Gegen zwei Uhr morgens fuhr er beunruhigt hoch. Hatte er nicht gerade den Fußboden knarzen gehört? Kurzfristig geriet sein Herz außer Takt. Kam nun doch der Tod bei ihm vorbei? Oder war seine Mutter womöglich abgehauen und nach Hause zurückgekehrt? Langsam drehte er den Kopf in Richtung Fenster. Schweißgebadet schreckte er
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