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Taxi

Titel: Taxi
Autoren: Karen Duve
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ohne dass sich mein Puls deswegen erhöhte.
    Ich musste wieder an den Schimpansen denken, daran, wie wir in dem verunglückten Taxi gesessen und uns die Köpfe gehalten hatten. Wie still es nach dem Aufprall plötzlich gewesen war. Und wie gelassen der Schimpanse dann durch die geborstene Windschutzscheibe und über die heiße, tickende Motorhaube geklettert und in den Büschen verschwunden war, ohne sich ein einziges Mal nach mir umzudrehen. Als wüsste er ganz genau, was er nun tun müsste. Ich bereute nicht, dass ich den Affen entführt hatte, aber es kam mir vor wie die Tat eines anderen. So fremd war ich mir in den letzten Stunden geworden.
    Nusske räusperte sich.
    »Wie ist es, kommst du noch mit zu mir, und wir trinken einen auf den ersten Totalschaden?«
    »Das ist ein attraktives Angebot«, sagte ich, »aber ich habe noch etwas zu erledigen. Könntest du mich an der Schanzenstraße absetzen?«
    »Jetzt? Um diese Uhrzeit? Aber wenn du willst – klar.«
    Schweigend steuerte Nusske seinen Mercedes Richtung Pferdemarkt. Ich war froh, dass er nicht redete, das gab mir die Ruhe nachzudenken. Ich wusste noch nicht genau, was ich zu Marco sagen sollte – vielleicht wollte er ja gar nichts mehr hören. Ich wusste nur, dass – was auch immer es sein würde – ich es jetzt sagen musste. Später würde ich nicht mehr den Mut dazu haben.
    Nusske hielt am Straßenrand. Ich küsste ihn auf die Wange und stieg aus. Als ich den völlig zerstörten Zwodoppelvier auf dem Anhänger sah, empfand ich ein so starkes Gefühl von Verlust, dass es beinahe weh tat.
    Nusske schaute mich durch das geöffnete Seitenfenster an und zögerte loszufahren. Er schien etwas fragen zu wollen, überlegte er es sich aber anders und legte den Gang ein.
    »Ein Totalschaden«, sagte Nusske bloß, »einfach super.«
    Dann fuhr er mit dem rumpelnden Trailer davon.
    Im Gebüsch vor dem Waschsalon sang ein Vogel. Jeder Ton klang so scharf umrissen und dreidimensional, als sei er aus der Luft herausgestanzt.
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