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Tausendundeine Stunde

Tausendundeine Stunde

Titel: Tausendundeine Stunde
Autoren: Christiane Suckert
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letztens bei meinen Eltern war, kamen wir im Gespräch darauf. Sie sind stolz auf mich, dass ich die Polizeischule geschafft und einen guten Posten bekommen habe. Meine Mutter will doch nur, dass ich einen guten Eindruck hinterlasse.“
    „Und den machst du mit frisch gestrichenen Fensterrahmen und Rührkuchen? Na, herzlichen Glückwunsch!“
     
    „Wann ist es denn soweit?“ Mein Chef zeigt mit dem Finger auf meinen Bauch.
    „Wenn wir Pech haben noch vor dem Kaffeetrinken“, sage ich lachend. „Es kann jetzt jeden Tag passieren.“
    „Dann sollten wir mal rasch zur Besichtigung des Gartens schreiten. Hübsch haben Sie es hier“, sagt Dalitz, Georgs neuer Chef. Er ist mir sympathisch. Georg führt unsere beiden Chefs über das Grundstück. Ich decke die Kaffeetafel und gebe Paul und Stefan letzte Anweisungen, wie sie sich zu verhalten haben. Wenzel stellt fest, dass ich zwei wohlgeratene Kinder habe und scheint höchst zufrieden zu sein. Denn Dank seiner Initiative sind wir jetzt eine glückliche sozialistische Familie mit dem gemeinsamen Namen Leonhardt und mein nächstes Kind wird nun auch ehelich geboren werden. Nach zwei Stunden ist der Antrittsbesuch vorbei. Georg reibt sich vergnügt die Hände und stellt zufrieden fest, dass alles bestens geklappt hat.
     
    Am nächsten Tag kommt Georg missgelaunt nach Hause. Auslöser für seine schlechte Laune war die Tatsache, dass der Genosse Politstellvertreter in unserem Badezimmer westliche Kosmetikartikel vorfand.
    „Stell dir mal vor“, ereifert sich Georg: „da forderte der doch von mir eine Stellungnahme. Und dann gleich diese Drohungen, dass es Konsequenzen hat, wenn man Westkontakte pflegt.“
    „Aber das weißt du doch. Erinnerst du dich denn nicht mehr daran, dass ich eine Stellungnahme abgeben musste, nur weil ich mich bei einem Ausflug in den Spreewald mit zwei Düsseldorfern über Spreewälder Gurken unterhalten habe? Du hast ihn hoffentlich darüber aufgeklärt, dass es Produkte aus dem Intershop sind, und dass die Forumschecks dafür von deinem Schwager kommen? Ja, da kannst du es mal sehen. Mein Bruder hält in Afghanistan für das sozialistische Vaterland seinen Arsch hin und dann muss man sich auch noch dafür rechtfertigen, dass man sich mal ein Deospray leistet.“ Ich grinse.
    „Wieso grinst du?, fragt Georg: „ich fand das nicht lächerlich.“
    „Sag ihm doch morgen einen schönen Gruß von mir. Er möchte bitte auch eine Stellungnahme schreiben. Denn er hat in unserem Klo Westkaffee ausgepinkelt.“ Kaum hatte ich das ausgesprochen, da spürte ich ein unangenehmes Gefühl zwischen meinen Beinen: „ Apropos ausgepinkelt. Ich glaube meine Fruchtblase ist gerade gesprungen. Georg, es geht los.“
    Wenige Stunden später halte ich unsere Tochter Lilly im Arm. Sie ist wohlgeraten und gesund.
    Georg wirkt etwas unbeholfen. Diese Seite kenne ich nicht an ihm. „Ich soll dich von den Jungs grüßen, das haben sie ihrer kleinen Schwester gekauft.“ Er zieht einen kleinen Plüschbären aus der Tasche. „Ach ja und meine Mutter lässt dir ausrichten, dass du auf keinen Fall Fruchtsäfte trinken sollst.“
    „Wieso, wird dann meine Milch sauer?“, frage ich spöttisch.
    Georg zuckt mit den Schultern. „Deine Mutter kommt heute noch vorbei und meine Eltern dann morgen.“
    „Hm“, antworte ich, „und gefällt dir deine kleine Tochter?“
    „Sie ist zauberhaft, Julia. Das hast du gut hingekriegt.“ Georg hat mich schon lange nicht mehr „Julia“ genannt. Er küsst mich auf die Stirn und streichelt mein Gesicht. Auch das hat er lange nicht mehr getan.
    Es tut mir gut. „Freust du dich?“
    „Freuen? Ich bin überglücklich. Natürlich habe ich deine Söhne gern. Aber nichts habe ich mir mehr gewünscht als ein eigenes Kind. Ich geh sie mir noch einmal anschauen. Bis morgen. Brauchst du noch irgendetwas?“
    „Nein. Ich habe alles was ich brauche, um glücklich zu sein.“
    Lilly ist ein Bilderbuchbaby. Sie ist keines dieser kleinen Haustyrannen, die einem um den nächtlichen Schlaf bringen und, obwohl noch klein, sich durchzusetzen wissen.
    Sie ist unser aller Sonnenschein. Und sie gedeiht prächtig. Schwiegermutter hat wahrscheinlich mit dem kleinen Kurzwarenladen „Strickliesel“ einen Rabattvertrag ausgehandelt, ständig kommt sie mit etwas neu Gestricktem zu Besuch. Und alles in Rosa. Dank des Umstandes, dass meine Mutter sechs Kinder und siebzehn Enkelkinder bestrickt hat, bekommt Lilly von ihr Spielsachen, ich hin und
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