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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Autoren: Anonymer Verfasser
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ihnen: »Ich will ein paar Stiftungen gründen. Schreibt.« Der Großwesir machte sich bereit, um zu schreiben, und der Sultan sagte ihm folgende Worte vor: »Zunächst hinterlasse ich eine Million zweihundertundzwanzigtausend Aktschas zum Bau eines Spitals für die Moslems, die vom Aussatz befallen sind. Die gleiche Summe hinterlasse ich für den Bau einer Schule, in der Bogenschießen und Ballspiel gelehrt werden sollen. Und für die dritte Stiftung befehle ich, daß man einen neuen Khan errichte; der soll gefüllt sein mit schwarzen Frauen zur Bedienung weißer Reisender; und zu seiner Erhaltung soll man meinem Schatz jeden Tag fünfhundert Dinare entnehmen. Viertens und letztens aber befehle ich, daß man Bäder errichte, die geschiedenen Frauen als Zuflucht dienen sollen, bis sie Hullas oder Zwischengatten gefunden haben; und zu diesem Zweck hinterlasse ich neunhunderttausend Aktschas.«
    Als nun der König diese frommen und wohltätigen Stiftungen verkündet hatte, ließ er sich die Bücher des Koran bringen und vorlesen. Dem Vorleser gab er tausend Dinare, den Einsiedlern und Derwischen je fünfhundert und allen Blinden und Lahmen je hundert. Dann wurde das Totenmahl bereitet. Die Speisen wurden in goldenen Gefäßen aufgetragen, und einem jeden, dem sie angeboten wurden, wurde gesagt: »Auch das Gefäß gehört dir; es ist dir erlaubt, es mitzunehmen.« Und nach dem Gastmahl setzte Akschid alle Sklavinnen in Freiheit, die sich in seinem Pa last befanden.
    Das war die Feier, die der Sultan abhalten ließ und die am folgenden Tage von neuem beginnen mußte, denn er erkrankte noch selbigen Tages. Er legte sich nieder, und da er den letzten Augenblick nahen fühlte, rief er die drei Prinzen, seine Söhne, und sprach zu ihnen: »O meine Kinder, ich habe im Winkel meiner Kammer zur linken Hand dessen, der eintritt, eine Schatulle verborgen, darin die herrlichsten Edelsteine der Welt enthalten sind; ich befehle euch, sie nach meinem Tode gleichmäßig unter euch zu verteilen, sowie ihr meinem Grabe die Ehren erwiesen habt, die ihr ihm schuldig seid.«
    Der König starb; aber der jüngste seiner Söhne ging in seiner Ungeduld, die Schatulle zu sehen, von der er ihn hatte reden hören, allein in die Kammer, fand sie und war von der Schönheit der Edelsteine so geblendet, daß er beschloß, sie zu behalten und zu behaupten, daß er sie nicht genommen hätte. Kaum nun war die Leichenfeier Akschids vorüber, so eilten auch die beiden andern Brüder, getrieben von der gleichen Neugier wie ihr Bruder, in die Kammer. Sie begnügten sich nicht damit, den Winkel zur linken Hand dessen, der eintritt, zu untersuchen, sondern sie forschten überall, und sie erstaunten in höchstem Staunen, als sie fanden, daß all ihr Suchen vergeblieh war. Da traf der dritte Prinz ein und sprach zu ihnen: »O meine Brüder, sind die Edelsteine wirklich so schön?« »Das weißt du besser als wir,« erwiderte der älteste, »ich müßte mich sehr täuschen, wenn du sie nicht entwendet hast.« »Ei, wahrlich,« rief der jüngste Prinz, »ihr tischt mir da ein heiteres Märchen auf; ihr selber habt sie entwendet, und jetzt wollt ihr mich des Diebstahls bezichtigen.« »Hört mich an, o meine Brüder,« unterbrach der zweite Prinz sie, »einer von uns dreien muß sie notwendig gestohlen haben, weil kein andrer als wir diese Kammer betreten darf. Wenn ihr meinem Rate folgen wollt, so laßt uns zum Kadi schicken, der als der klügste und scharfsinnigste Mann in ganz Kairo gilt; er wird uns verhören und vielleicht den Dieb entdecken.« Die beiden andren Prinzen willigten ein, und sie ließen also den Kadi kommen, der zu ihnen sprach, als er vernommen hatte, worum es sich handelte: »O meine Herren und Prinzen, bevor ich sage, welcher von euch dreien die Edelsteine genommen hat, flehe ich euch an, aufmerksam der Geschichte zu lauschen, die ich euch erzählen möchte.
    Es lebte einmal ein Jüngling, der ein Mädchen leidenschaftlich liebte und auch bei ihr Liebe fand. Sie beide wünschten, daß eine glückliche Heirat sie vereinigte; aber die Eltern des Mädchens hatten anders über sie bestimmt; sie sagten sie einem andern Manne zu und standen schon im Begriff, sie ihm zu überliefern, als sie jenem begegnete, den sie liebte. Weinend sprach sie zu ihm: »Du weißt nicht, was vorgeht; die Meinen wollen mich einem Manne geben, den ich noch niemals gesehen habe; ich muß auf die süße Hoffnung, dir zu geboren, verzichten; welche harte Not!« »O meine
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