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Tausche Brautschuh gegen Flossen

Tausche Brautschuh gegen Flossen

Titel: Tausche Brautschuh gegen Flossen
Autoren: Juliane Kobjolke
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streiten. Die
Frauen stehen zusammen und reden über die Männer, die sich so verdammt italienisch
aufführen, die Kinder, die genau wie die Väter sind, und über Headsets, mit denen
man prima telefonieren kann, während man bügelt. Meine Mutter, die Kosmetikerin
ist, gibt einer panischen Braut am Telefon Tipps, wie der gigantische Pickel auf
der Stirn zu versorgen ist. Mein Vater und meine Großmutter steigern sich in einen
Streit über die Farbe einer Regenjacke – capriblau – und über die Notwendigkeit
der Anschaffung des Kleidungsstückes im Allgemeinen. Indes zertrümmern die Kinder
das Spielzeug, fischen den Käse von der übrigen Pizza und trommeln mit herabgefallenen
Ästen auf umgestülpten Plastikeimern, während im Hintergrund ein Benjamin-Blümchen-Hörspiel
töröht. Mein Großvater, der im Krieg in Italien stationiert war, sitzt selig grinsend
inmitten seiner Familie. Bald beginnt er italienisch zu sprechen und stimmt ›O Sole
Mio‹ an.
    Schön, dass wir endlich einmal wieder
alle zusammen sind!
    Natürlich
lache und erzähle ich mit – wenn ich zu Wort komme. Leicht habe ich es nicht, denn
ich bin nicht die Einzige, die vermutet, dass ich bei der Geburt vertauscht wurde.
Immer wieder fragt man sich, wie es kommt, dass Karsten und ich so verschieden sind.
Er ist laut, launisch und konservativ. Er ist ein Italiener, wie er im Buche steht.
Und ich nicht. Ich bin so deutsch. So zurückhaltend, so humorlos. Das ist sehr verwunderlich,
bei einem so italienischen Bruder! Offenbar bin ich nicht mal kinderlieb, bei dem
Bogen, den die lieben Kleinen um mich machen.
    Allessia, die Tochter von Schwager
Nummer zwei, ist das einzige Kind, dessen Name nicht auf O endet. Mit Ausnahme meiner
Neffen ist sie außerdem das einzige Kind, dessen Namen ich mit Sicherheit zuordnen
kann. Allessias kleine Verwandte heißen: Allessio, Mercuzio, Lorenzo, Francesco,
Edoardo und Pietro. Nach reichlicher Überlegung und dem Abgrasen von Online-Vornamen-Lexika
wurden meine Neffen Giancarlo und Gasparo genannt. Karsten und Theresa, denen das
auf Dauer offenbar zu umständlich ist, rufen sie kurz Janni und Gassi.
    Nach dem Essen gesellt sich mein
Großvater zu Karsten und den drei Italienern. Ich höre, wie er ihnen von meinem
Ärger mit der Firma erzählt, woraufhin die jungen Männer noch wilder gestikulieren
und ihre Mienen sehr nachdenklich werden. Es ist kein gutes Zeichen und ich stöhne
innerlich.
    Ist unser Verwandtschaftsverhältnis
auch noch nicht besiegelt, so gehöre ich für sie längst zur Familie, sogar obwohl
ich mich weigere, italienisch zu sein – und Mitglieder der Familie führt man nicht
ungestraft an der Nase herum. Sollte mir nicht gleich etwas einfallen, was die Gemüter
besänftigt, darf mein Chef um seine Gesundheit fürchten.
    Während die Männer ihre Stimmen
dämpfen, von Zigaretten auf Zigarren umsteigen und ihre Möglichkeiten durchspielen,
rattert mein Hirn auf Hochtouren.
    Italienische
Männer können über die Maßen stur sein und verhalten sich Frauen gegenüber häufig
dominant. Was meinen pseudoitalienischen Bruder und seine Schwager betrifft, so
haben sie klare Vorstellungen von den Dingen, die Frauen zu tun haben. Neben den
üblichen Pflichten im Haushalt und dem Gebären vieler Kinder setzen sie voraus,
dass eine Frau sich aus ihren Geschäften heraushält, dass sie nicht meckert und
keine Fragen stellt, wenn sie wegen eben dieser Geschäfte nicht pünktlich oder betrunken
nach Hause kommen. Eine Frau muss gut aussehen, aber nie für andere oder sich selbst,
sie darf nicht streitsüchtig sein und das Wort ›Emanzipation‹ nicht einmal buchstabieren
können. Vor allen Dingen – das ist die Basis – muss sie respektvoll sein. Respekt
ist sehr wichtig. Ohne Respekt ist ein italienischer Mann weder Mann noch italienisch.
Ein Nichts also.
    In Anbetracht all dessen kann ich
die vier schlecht auffordern, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern.
    Nun, ich könnte schon und habe nicht
schlecht Lust, doch vielleicht würde mein Chef dann noch heute Nacht mit einem Betonblock
an den Füßen in die Unstrut tauchen. Nicht, dass ich ihm das nicht gönnen würde

    So schwer es mir auch fällt und
so sehr es an meinem Stolz kratzt, ich muss über meinen Schatten springen.
    Meine plötzliche Anwesenheit passt
den Männern nicht. In einem Befehlston, der mich die Zähne zusammenbeißen lässt,
fordert mich mein Bruder auf, zu Theresa und den anderen zu gehen.
    Sobald es mir gelingt, die
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