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Tausche Brautschuh gegen Flossen

Tausche Brautschuh gegen Flossen

Titel: Tausche Brautschuh gegen Flossen
Autoren: Juliane Kobjolke
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Kiefer
zu lockern, lüge ich los und beichte den vieren von meinem schrecklichen Fehler,
der meinen Chef eine Menge Geld gekostet hat.
    »Er wollte mich entlassen«, gestehe
ich kleinlaut und schiele wie gehetzt in Richtung meines Vaters. »Deshalb habe ich
ihm angeboten, drei Monate unentgeltlich zu arbeiten.« Mit einem weiteren Blick
über die Schulter, beschwöre ich Karsten, mich bloß nicht bei unserem Vater auffliegen
zu lassen.
    Er betrachtet mich skeptisch. Er
will nicht glauben, dass ich mich so dämlich angestellt habe, doch verspricht, mich
nicht zu verpetzen.
    Leonardo, Allessandro und Giacomo
mustern mich indes voller Bedauern, das sie zum großen Teil meinem Chef zollen.
Sie alle sind schließlich Geschäftsmänner und wissen, warum sie Frauen lediglich
zum Putzen einstellen.
    Keinen echten Triumph verspürend,
verabschiede mich von meinen Eltern und Großeltern.
    Ich bin mir sicher, sobald ich verschwunden
bin, werden Karsten und seine Schwager meinen Vater ins Gebet nehmen. Er wird mich
morgen anrufen und ich werde ihm alles erklären. Bestimmt wird er sich fragen, warum
Karsten so seltsam geworden ist, und mich einen Augenblick später bitten, nicht
immer alles so mafia zu sehen.
     
    Stunden früher als geplant, bin ich also wieder zu Hause. Endgültig
ernüchtert öffne ich eine Flasche Weißwein, schenke mir ein Glas ein und spüle eine
Kopfschmerztablette runter. Mein Schädel dröhnt noch eine Weile. Der Gedanke an
Lukas treibt mir die Tränen in die Augen. Er fehlt mir so sehr. Ich brauche ihn
– nur ihn. Die Gesellschaft meiner Eltern hätte mich irgendwie getröstet, die italienische
Party hat es gewiss nicht getan. Sie hat das Gegenteil bewirkt.
    Der Internetchat ist öde. Zumindest
bis zu der Minute, in der sich der Inseltaucher einloggt. Statt des Grinsens, das
sich sonst auf meine Lippen schleicht, beginnt mein Herz zu klopfen.
    Herzklopfen? Herzklopfen!
    Mit einem Klick verlasse ich den
Chat und werde vom Desktopbild (einem surrealistischen Wald in Dunkellila) hypnotisiert.
    Lena Scholl, sage ich mir, während
ich tief in den Wald laufe, du bist durchgeknallt. Von allen guten Geistern verlassen.
Ist dir noch zu helfen?
    Ist mir noch zu helfen?
    Wieso habe ich Herzklopfen? Das
kann nicht meines Herzens Ernst sein. Es ist manipuliert worden vom großen, bösen
Internet.
    Was weiß ich schon vom Inseltaucher?
Dass er Christoph heißt. Dass er beinahe ein berühmter Stuttgarter Anwalt geworden
wäre. Dass er eine Tauchschule auf Teneriffa besitzt. Zum einen ist das nicht sonderlich
viel, zum anderen kann es erstunken und erlogen sein. Vielleicht hat er keine Tauchschule,
sondern klappert tagtäglich die Strandpromenade ab, um den Touristen billige Sonnenbrillen,
angeblich von Gucci, zu verticken. Vielleicht ist er nicht einmal auf Teneriffa,
sondern hockt in einer düsteren deutschen Ecke am PC und hat Fotos von ermordeten
Frauen an die Wand hinterm Monitor gepinnt. Vielleicht heißt er nicht mal Christoph,
sondern Kurt oder Esmeralda.
    Ich logge mich wieder ein und sende
ihm eine Nachricht. Ich muss sichergehen. Um ihn nicht misstrauisch zu stimmen,
beginne ich mit Small Talk über Gott und die Welt, dann erst frage ich.
    ›Wie heißt deine Tauchschule?‹
    ›Deep Blue‹, schreibt er.
    Ab geht es zu
Google! Der Name in Kombination mit dem der Insel führt zu einigen Ergebnissen.
Inzwischen bin ich felsenfest davon überzeugt, dass mich keine der aufgelisteten
Seiten zu einer Tauchschule bringt und grummele, als ich eines Besseren belehrt
werde.
    Mit dem Klick
auf den Link zu einer spanischen Webseite ist das Herzklopfen zurück. Ein gelungener
Unterwasserschnappschuss dient als Startseite, wo der Besucher entscheiden kann,
ob er auf Englisch, Spanisch oder Deutsch fortfahren möchte. Die Seite wurde nicht
professionell erstellt, wie mein geschultes Auge erkennt, doch sie wirkt seriös,
da man bei der Gestaltung auf Firlefanz und animierte Bildchen verzichtet hat. Zudem
ist sie übersichtlich. Ein Link führt zu weiteren Unterwasserbildern, ein anderer
zu Wissenswertem über die Tauchspots von Teneriffa, ein dritter beantwortet Fragen
zu den angebotenen Kursen. Unter den Kontakten findet sich neben der Anfahrtsskizze
ein Foto von einer Bucht, in welcher ein Transportboot liegt. Das flache Gebäude
im Hintergrund muss die Schule sein. Ein Link verspricht Informationen zum Team.
Ich ahne, dass dort mehr Bilder warten, und zögere.
    Einen mutigen Klick später sehe
ich vier Fotos. Dreien
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