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Tanz der Kakerlaken

Tanz der Kakerlaken

Titel: Tanz der Kakerlaken
Autoren: Donald Harrington
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diese beiden nun ganz Parthenon für sich haben sollten, als wäre es ein königliches Schloß. Alle anderen Häuser von Stay More hatte der Mensch verlassen, bis auf das Heilige Haus natürlich, wo Bruder Tichborne sein Quartier hatte, wie auch die meisten anderen guten Knackerlaken von Stay More, die dazu degradiert waren, sich um die Reste vom Tisch des Mannes zu balgen (wie auch um Sein Bett, Seinen Sessel oder wo immer sonst Er sich setzte und aß).
    Bruder Tichborne empfand es als grausame Ironie, daß die Ingledews das ausschließliche Recht auf alle Krümchen hatten, die die Frau im Parthenon übriglassen mochte; schließlich beteten sie nicht zu Ihr. Die Ingledews waren nicht nur Atheisten, es war auch allgemein bekannt, daß Unser Herr Joshua Chrust von einer Person mit Namen Ingledew, einer menschlichen Person, aufgenadelt worden war. Wir alle haben unseren Namen vom Manne.
    Wir haben unsere Namen vom Manne, der unser Fels und unser Heil ist, obwohl Sein Zorn groß ist und ohne Ende. Der Mann pflegte regelmäßig einen Revolver zu nehmen und ihn auf die Knackerlaken abzufeuern, die in Seinem Haus lebten; und dies mit westlicher Genauigkeit – je nachdem, wieviel Er getrunken hatte. Schon andere Geistliche als Bruder Tichborne waren zu dem Schluß gekommen, daß dies Erschießen und Verwestern auserwählter Knackerlaken zugleich eine Form der Bestrafung und der Ausdruck der Liebe des Mannes war, und so wurde das Schießen oder Erschossenwerden nicht Verwestern genannt, sondern Entrückung.
    Es gibt zwei Formen von Entrückung, so glauben gute Chrustenlaken: die sofortige Entrückung durch die Kugel des Mannes, die die Garantie bietet, daß man im süßen Himmel des Hiernach auf des Mannes rechter Hand leben wird; aber es gibt auch die Verlockung der Entrückung nach der Großen Bombe, wenn der Mann die Selbstgerechten vom Boden erheben und ihnen ewiges Leben schenken wird. Die guten Chrusten werden entrückt werden, aber die Ungläubigen werden umkommen und zur Hölle fahren. Die Hölle ist, wie jeder weiß und fürchtet, ein Ort der Arbeit. Wenn wir nicht rechtschaffen leben und die Gebote des Herrn befolgen, werden wir uns in der Hölle, dem Reich der Mackerlake, wiederfinden und schwer arbeiten müssen.
    Die Kugeln, die der Mann abfeuerte, um die auserwählten Chrusten zu entrücken, schlugen immer auch in den Boden, in die Wand, die Decke, eine Tür oder Fensterscheibe des Heiligen Hauses ein, das somit eigentlich ein unheil'ges Haus war, wegen all dieser Löcher. Jedes neue Loch schuf einen neuen Eingang für weitere Knackerlaken, doch war es keiner fremden Knackerlake gestattet, das Heilige Haus zu betreten. Jedes Loch sorgte auch für neue Zugluft. Der letzte Winter war schrecklich gewesen und hatte sogar den Mann Selbst zu stärkeren Getränken als Bier greifen lassen.
    Wenn Bruder Tichborne irgend etwas tröstlich fand angesichts der schreienden Ungerechtigkeit der Überbevölkerung im Heiligen Haus bei gleichzeitiger Unterbevölkerung im Parthenon, so die Tatsache, daß die Frau Ihre Kochstatt pingelig sauber hielt und kaum je eine Kruste oder Krume von Ihrem Tisch, Schoß, Teller, Topf, Küchenschrank oder Mundwinkel herabfiel. Unser Mann vom Heiligen Haus dagegen bescherte den hungrigen Massen ein großes fortwährendes Festmahl der Krusten und Krumen, ganz zu schweigen von den zahllosen Bierresten, die die meisten Heilighäusler beinahe genauso berauscht hielten wie den Mann Selbst. Bruder Tichborne war alt genug, zu bemerken, daß des Mannes Bierkonsum und der des giftigeren Bourbons anstieg.
    Die Wege des Mannes sind unergründlich. Mann gibt und Mann nimmt. Gepriesen sei der Name des Mannes (obwohl Bruder Chidiock Tichborne, der selbst einen guten alten Namen trug, zugeben mußte, daß er den Namen des Mannes und den der Frau nicht kannte).
    Solcherart waren seine Gedanken, während er den Damm aus einheimischen Feldsteinen erklomm, die – zu einem Würfel aufgeschichtet – die Südost-Ecke des Abstellraums im Heiligen Haus stützten, ein Raum mit einem wilden Durcheinander von Überresten, Müll und abgelegten Kleidern von Generationen, die das Haus bewohnt hatten. Unter diesem Gerümpel befand sich ein schwerer zerknitterter Frack aus schwarzem Alpaka, einreihig, mit schmalen Aufschlägen und drei Taschen, dem noch immer ein Hauch jenes geweihten Aromas vom Schweiß eines Mannes anhaftete, der ihn vor Ewigkeiten getragen hatte, möglicherweise noch vor der Zeit des Joshua Chrust.
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