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Tanz der Engel

Tanz der Engel

Titel: Tanz der Engel
Autoren: Jessica Itterheim , Diana
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erfahren. Wie weit ich Raffael trauen konnte und wie viel ich von seiner Geschichte glauben wollte, würde ich später entscheiden.
    »Obwohl es mir eigentlich nicht erlaubt ist, über Engel zu reden,und du mir eh nur die Hälfte glauben wirst – wenn überhaupt –, denke ich, dass ich bei dir eine Ausnahme machen kann. Schließlich warst du schon drüben . Und was den Wahrheitsgehalt angeht, kannst du ja bei deinem Engelsfreund nachfragen – falls er irgendwann wieder auftauchen sollte.« So, wie Raffael das sagte, bezweifelte er das.
    Ich schluckte meinen Kommentar hinunter. Christopher war nicht Sanctifer. Er opferte keine unschuldigen Menschenseelen, um seine Ziele zu erreichen.
    »Ich war sieben und …«
    »Bestimmt ein herzallerliebster, von allen verwöhnter Wonneproppen«, unterbrach ich Raffael. »Wolltest du mir nicht etwas über Engel erzählen?«
    »Das werde ich. Aber damit dein Bild von mir nicht einseitig bleibt, muss ich ein wenig ausholen. Vielleicht verstehst du dann, warum ich nicht anders handeln konnte.«
    »Jeder hat eine Wahl«, zischte ich.
    »Manche mehr, andere weniger.« Raffael starrte gedankenverloren über den See, während er weitersprach. »Ich war sieben, als Sanctifer mich bei sich aufnahm. Er hat mich in dem Schrank gefunden, in dem ich mich verkrochen hatte. In seinen Mantel gehüllt, trug er mich durchs Feuer. Es verschlang alles, was ich liebte – auch meine Mutter.« Er schwieg für einen kurzen Moment, um seine Stimme wieder unter Kontrolle zu bringen. Auf seinem Gesicht jedoch blieb der Schmerz, den er noch immer empfand.
    »Auch ich wäre gestorben, wenn Sanctifer sich nicht um mich gekümmert hätte. Er versorgte meine Wunden und linderte die Schmerzen. Es blieben Narben, da er mir die Wahl lassen wollte, bis ich alt genug war, eine eigene Entscheidung zu treffen. Ich zögerte keine Sekunde, als er mir von seinen Möglichkeiten erzählte.«
    Ich zog hörbar die Luft ein. Sanctifers Vorgehensweise konnteich mir lebhaft vorstellen, zumal ich seiner einschmeichelnden Art beinahe selbst erlegen war.
    Raffael sah mich böse an. Meine Missbilligung war ihm nicht entgangen.
    »Glaub mir, nach zehn Jahren mit einem Frankensteingesicht hättest auch du alles getan, um wieder ein normaler Mensch zu werden.«
    »Ich hätte niemals meine Seele verkauft.«
    »Das habe ich nicht!« Raffaels Fingerknöchel traten weiß hervor. Eilig verschränkte er seine Arme, um seine Fäuste zu verstecken. Es schien ihn Kraft zu kosten, mir nicht an die Gurgel zu springen und stattdessen ruhig zu bleiben.
    »Sanctifer hat mir Zeit gelassen, ehe ich eine Entscheidung treffen musste. Geduldig hat er meine Fragen beantwortet und mir den Weg zu seiner Welt geöffnet, damit ich alles anschauen konnte. An meinem siebzehnten Geburtstag hat er mir angeboten, sein Flüsterer zu werden. Ein geringer Preis, verglichen mit dem, was er mir dafür gegeben hat.«
    »Und du bist nie auf die Idee gekommen, dass Sanctifer dich manipuliert? Dass er dich zehn Jahre lang leiden ließ, damit du alles für ein atemberaubendes Aussehen tun würdest?«
    »Du findest mich atemberaubend?!« Raffael überging meinen Einwand, aber sein Miene sprach Bände: Auch er wusste, dass Sanctifer mit ihm spielte.
    »Es gibt schönere«, antwortete ich.
    »So wie deinen Engelsfreund ?«
    »Zum Beispiel.« Ich war mir sicher, zu explodieren, falls Raffael das Wort Engelsfreund noch einmal derart spöttisch betonen würde.
    »Wenn ich gewusst hätte, dass du auf blond und grimmig stehst, hätte ich Sanctifer um ein anderes Gesicht gebeten.«
    Grimmig?! Christopher war nicht grimmig zu mir – zumindest nicht mehr. Ich behielt meine Gedanken für mich. Mein Scher dich zum Teufel, Flüsterer wäre hier wahrscheinlich allzu wörtlich rübergekommen. Außerdem beschlichen mich erste Zweifel an Raffaels Geschichte.
    »So viel wie du hab ich bei meinem Aufenthalt vielleicht nicht mitbekommen, aber eins ist mir trotzdem klargeworden: Lange kann man dort nicht bleiben!«
    Raffael sah mich fragend an.
    »Du weißt schon, die Totenwächterin und so.«
    »Ja, ich hab von ihr gehört.«
    »Gehört?!«, fauchte ich. »Du hast mitgeholfen, dass ich sie besser kennenlernen durfte, als mir lieb war.«
    Die Wut in meinen Augen beeindruckte Raffael wenig. »Und? Ist es bei ihr wirklich so unglaublich?«
    »Ja«, flüsterte ich plötzlich heiser, als ein eisiger Hauch vom See heraufkroch, über meine Beine strich, meinen Rücken entlangglitt und sich in
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