Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen
Autoren: Uwe Westfehling
Vom Netzwerk:
wollte, um das Gebäude herum und blickte in den verschneiten Garten. Ein Stück Zaun war niedergetreten, ganz frisch. Am gesplitterten Holz klebte Blut. Und eine Fußspur mit hier und da ein paar roten Spritzern lief vom Zaun weg auf den Wald zu. Ich folgte ihr ein Stück, ohne dass ich hätte sagen können, warum. Die Fährte bog, bevor sie die ersten Bäume erreichte, nach links und führte hinter einigen Büschen entlang, bis sie schließlich auf die Straße traf und dort im Schneematsch verschwand …
    Wie von selbst zog mein Kopf seine Schlüsse. Wer immer den Ratsherren erstochen hatte, was wohl im Durchgang der Schänke geschehen war, hatte sich längst in Sicherheit gebracht. Anscheinend war er unterwegs nach Köln.
    Vor dem Wirtshaus war es ruhiger geworden. Nur wenige Leute standen noch in Gruppen beisammen. Die beiden Reisenden und ihre Pferde konnte ich nirgends mehr entdecken. Auch vom Schwarzen Hund war zum Glück nichts zu sehen. Einer der Schankknechte stand wieder draußen und sprach mit ein paar Männern, die Pilgermäntel mit geweihten Abzeichen trugen.
    »… Wollte das Hinterzimmer für sich allein«, hörte ich ihn sagen. »Hat da auf einen gewartet. Was? Ja. Der is’ wohl gekommen. Und der wird’s wohl gewesen sein, der ihn umgebracht hat. Ja. Geseh’n han ich den schon, aber nich’ genau. War schon was älter, glaub ich …«
    »Manch einer wart’ auf was, wo er besser nicht drauf wart’n tät«, räsonierte die Bäuerin.
    Die letzten Schaulustigen gingen davon, und ich fühlte mich nicht länger geschützt. So beschloss ich, mich wieder auf meinen Weg zu machen. Wind kam auf, und graue Wolken zogen über den Himmel. Ich fror plötzlich. Viel zu lange hatte ich hier herumgehangen. Ich schlug meinen Kragen hoch und nahm die Straße unter die Füße.
     
     
     

BER DEN S TROM
    Gegen Abend kam ich in jenes Dorf, das am rechten Ufer des Rheins der Stadt Köln gegenüberliegt und Deutz genannt wird. Gärten, einfache Häuser, ein Kloster mit einem spitzen Kirchturm. Obwohl es schon dämmerte, ging ich bis ans Wasser. Hier öffnete sich der Blick auf die Stadt jenseits des Stroms. Es war schon zu dunkel, um Einzelheiten zu erkennen, aber ich sah den Umriss der Dächer und Türme gegen den rötlichen Himmel, wo die Sonne untergegangen war. So groß und so weit ausgebreitet! Das hatte ich nicht geahnt. An der ungeheuren Gestalt erkannte ich den Bau des halbfertigen Doms, den mir Ahasver vor zwei Tagen, noch im Bergischen Land, gezeigt hatte. Licht dämmerte hinter den Fenstern. Dann ertönte plötzlich eine Glocke, eine zweite fiel ein, mit hellerem Klang, und eine dritte gesellte sich dröhnend hinzu. Rasch war es ein vielstimmiges Geläut aller Kirchen von Köln, das vom Wind herübergetragen wurde. Ich lauschte mit einem seltsam feierlichen Gefühl. Dann schwangen die Töne aus; eine Glocke nach der anderen verstummte. Der Wind ging eisig. Ich fröstelte und wandte mich zurück zu den Häusern, die sich um das Kloster drängten.
    Durch die enge Gasse rollte ein Leiterwagen mit vier Pferden heran, an dem unten, am Achsgestell, eine Laterne aufgehängt war. Sie schwankte hin und her und warf unruhige Schatten gegen die Hauswände, Schatten von Pferden und Männern und sich drehenden Speichen, grotesk vergrößert und befremdlich verzerrt. Ich konnte nicht erkennen, was auf dem Wagen lag.
    Die Begleiter des Fuhrwerks redeten mit Männern, die bei einem großen Boot am Ufer standen. »Heute nicht mehr«, sagte einer von den Fährleuten. »Zu viel Eis auf dem Strom und zu dunkel.«
    Ich erriet trotz der Mundart, was gesprochen wurde. Einer der Männer, die mit dem Wagen gekommen waren, wohl ein vornehmer Herr, der einen pelzbesetzten Mantel trug, begann zu drängen, aber sein Gegenüber wies ihn erneut ab.
    »Ist mit Geld nicht zu machen …«, hörte ich den Fährmann sagen.
    Dann sprachen zwei der Männer beim Wagen leise miteinander, und einer rief kurz darauf dem Kutscher zu: »Fahr an die Kapelle vom Kloster. Fahr schon! Er braucht die Nacht nicht auf dem Karren zu liegen.«
    »Werdet Ihr derjenige sein, der es seiner Frau sagt?«, fragte sein Begleiter, als die Pferde wieder anzogen und die beiden dem Gespann in eine Seitengasse folgten.
    »Wollt vielleicht Ihr es tun?«, war die barsche Gegenfrage.
    Ehe sie im Dunkel verschwanden, fiel ein Lichtschein auf die Wagenpritsche, und ich erkannte die Form eines menschlichen Körpers, reglos ausgestreckt, der mit einem Mantel zugedeckt war, so
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher