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Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Titel: Tante Dimity und der unerhoerte Skandal
Autoren: Nancy Atherton
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seiner Frau bei ihrer Gemüseorgie zu helfen.
    Heute jedoch hatte er eine Ausnahme gemacht und war einem Auftrag gefolgt – von keinem Geringeren als dem Bischof, der ihn gebeten hatte, eine Notreparatur an dem beschädigten Dach der St.JamesKirche in Chipping Campden vorzunehmen, die in zehn Tagen neu geweiht werden sollte.
    Peter, Dereks siebzehnjähriger Sohn, war ebenfalls nicht zu Hause. Er war gar nicht in England.
    Er wollte in Oxford Medizin studieren und verbrachte den Sommer im brasilianischen Regenwald, wo er vermutlich mit Dschungelfieber und den Wasserfällen des Amazonas kämpfte, um einen neuen Wirkstoff gegen Krebs zu finden. Am Tag zuvor war ein Brief von ihm eingetroffen, Poststempel Manacapuru. Auf jemanden wie mich, der als Teenager die Sommerferien damit verbracht hatte, in der Leihbücherei die zurückgebrachten Bände wieder einzuordnen, wirkten Peters Abenteuer reichlich exotisch.
    Mein Hilfsangebot wurde schnell, aber höflich abgelehnt, Emma hatte nämlich aus trauriger Erfahrung gelernt, dass ich kaum imstande war, ein reifes Radieschen von einer verfaulten Steckrübe zu unterscheiden.
    Die zwölfjährige Nell, Emmas goldblonde Stieftochter, war zu unserem Haus hinübergewandert, um ihr Schachspiel mit Willis senior fortzusetzen, der, soweit ich wusste, in einem der beiden hohen Ledersessel vor dem Kamin saß, eine Tasse Tee neben sich und eine Erstausgabe von F. W Beecheys »Eine Entdeckungsreise zum Nordpol« in der Hand. Genau genommen saß er dort, wo Bill eigentlich hätte sitzen sollen.
    Der Gedanke bedrückte mich und ich seufzte tief, als ich zusah, wie Emma Radieschen aus der Erde zog und sie geschickt in den Schubkarren warf.
    »Das machst du jetzt schon zum dritten Mal«, bemerkte Emma. Sie steckte eine Haarsträhne zurück, die sich unter ihrem Strohhut gelöst hatte, und schob sich die runde Nickelbrille auf der Nase hoch. »Das war der dritte tragische Seufzer, den du über meinen Radieschen ausgestoßen hast. Die armen Dinger werden schon ganz welk vor Trauer.«
    »Entschuldige.« Ich steckte die Hände in die Taschen meiner Jeans und ging langsam bis zu den Auberginen und wieder zurück, ehe ich mich auf dem Rand des Schubkarrens niederließ – zwischen den Griffen diesmal, damit er nicht wieder umkippte – und mürrisch zu dem Eichenhain hinübersah, der das Grundstück der Harris von meinem trennte. Ich fühlte mich alles andere als versöhnlich. Ich hatte Emma eine Stunde lang mein Herz ausgeschüttet, und ihr einziger Rat war gewesen, sofort nach Boston zurückzufliegen und Bill eins auf die Nase zu geben.
    »Ich wette, du hast Derek noch nie eins auf die Nase gegeben«, murrte ich.
    »Was aber nicht heißt, dass ich es nicht manchmal gern täte«, sagte Emma leichthin. »Man hat mir glaubwürdig versichert, dass dies das einzig zuverlässige Mittel ist, um die Aufmerksamkeit eines Mannes zu erhalten. Aber jetzt mal im Ernst, Lori, die zweiten Flitterwochen? Du hast doch gerade die ersten hinter dir. Vielleicht hält Bill dich für extravagant.«
    »Das hat nichts mit extravagant zu tun«, erwiderte ich. »Ich wollte, dass dies eine besondere Reise wird. Ich wollte, dass Bill mal aus seiner Kanzlei rauskommt und sich entspannt und …«
    »Du bist diejenige, die sich entspannen muss.«
    Emma stand langsam auf und klopfte die Erde von den wattierten Knien ihrer Gartenhose. Während sie ihre Arbeitshandschuhe auszog und in die Taschen ihres Kittels mit dem Veilchenmuster steckte, trat sie einen Schritt näher und sah mich prüfend an. »Bist du schon bei Dr. Hawkings gewesen?«
    Ich merkte, wie ich rot wurde, und schlug die Augen nieder. »Du hast versprochen, dass du nicht wieder davon anfängst.«
    Emma legte die Hand auf meine Schulter. »Beruhige dich, Lori. Es bringt nichts, wenn man sich unter Druck setzt.«
    Dr. Hawkings in London hatte dasselbe gesagt, und mein Gynäkologe in Boston ebenfalls. Entspanne dich, hatten alle gesagt. Lass der Natur ihren Lauf. Alles wird gut werden. Aber ich hatte meine Zweifel. »Was ist, wenn ich nach meiner Mutter komme?«, sagte ich, während ich Emmas Blick immer noch auswich. »Sie hat zehn Jahre gebraucht, ehe sie mich bekam.«
    Emma zuckte die Schultern. »Dann wirst du noch zehn Jahre lang Ruhe und ungestörte Nächte haben. Ist das so schlimm?«
    Ich lächelte schwach. Medizinische Fachleute auf beiden Seiten des Atlantiks waren sich einig, dass weder mir noch Bill etwas fehlte, aber ich hatte da meine Zweifel. Gleich nach
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