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Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Titel: Tante Dimity und der unerhoerte Skandal
Autoren: Nancy Atherton
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damit verbundenen Papierkrieg. Er stand vor Morgengrauen auf und ging lange nach Mitternacht zu Bett und rannte herum wie ein Hamster im Laufrad. Er nahm ab und auf seiner Stirn bildeten sich neue Falten, die glatt zu streichen ich nur noch selten Gelegenheit hatte.
    Bills wahnsinnige Arbeitswut lag zumindest teilweise daran, dass er seinen Vater entlasten wollte. Zwar hatte Willis senior nicht darum gebeten, entlastet zu werden, aber Bill war überzeugt, dass sein Vater nicht wusste, was gut für ihn sei. Mein fünfundsechzigjähriger Schwiegervater erfreute sich überwiegend guter Gesundheit, aber er hatte früher einmal Herzbeschwerden gehabt, und Bill hatte schreckliche Angst, ihn zu verlieren. Allmählich übernahm Bill sämtliche Tagesgeschäfte der Firma, damit sein Vater beruhigt sein konnte, dass alles weiter seinen geordneten Gang gehen würde, falls der alte Herr sich entschließen sollte, in den Ruhestand zu treten.
    Ich vermute, dass Bill sich damit auch selbst etwas beweisen wollte. Es war nicht immer leicht, der Sohn des großen William Willis senior zu sein.
    Wie es nicht immer leicht sein konnte, überhaupt ein Willis zu sein. Bills Vorfahren hatten den Namen berühmt gemacht, seit sie aus England herü
    bergekommen waren; einige von ihnen waren Richter gewesen, andere Abgeordnete im Kongress, aber alle hatten sie etwas Bemerkenswertes geleistet. Es war eine gewichtige Tradition, die es zu erhalten galt, und Bill hatte das Alter erreicht – er war Mitte dreißig –, wo er glaubte, zeigen zu müssen, dass er des Namens Willis würdig sei.
    Also hatte mein Mann gute und verständliche Gründe, sich mit einer Unmenge Arbeit in ein frü

    hes Grab zu befördern, und ich hatte gute und verständliche Gründe, mir die Haare zu raufen. Im Leitfaden über das Leben mit Märchenprinzen steht nichts über chronische Workaholics –  Aschenputtels Prinz war vermutlich besser im Delegieren –, und ich wusste nicht, wohin ich mich um Hilfe wenden sollte. Was tut man, wenn das Leben anfängt, schief zu laufen, und man seine drei Wünsche schon aufgebraucht hat?
    Ich weigerte mich, zu Hause herumzusitzen und zu jammern. Mein Freund und früherer Chef, Dr. Stanford J. Finderman, hatte reichlich Arbeit für mich. Stan war der Kurator der Sammlung seltener, alter Bücher in der Bibliothek meiner Alma Mater, und er war sofort bereit, sein mageres Budget zu strapazieren und mich nach England zu schicken – auf eigene Kosten natürlich –, damit ich dort auf der Suche nach wertvollen Büchern Auktionen besuchen und private Sammlungen sichten könnte.
    Zwei lange Jahre hatte ich mich mit großem Eifer meiner Aufgabe gewidmet. Ich hatte viele interessante Menschen kennen gelernt und hunderte von herrlichen Häusern gesehen, und jede dieser Reisen hatte mich von der leisen und völlig irrationalen inneren Stimme abgelenkt, die immer wieder erklang: Es liegt an dir . Es ist deine Schuld , dass Bill sich so in die Arbeit vergräbt . Er hat keine Ahnung , warum er ausgerechnet dich geheiratet hat .
    Es war ein absurder und lächerlicher Gedanke, aber er hielt sich hartnäckig. Und als Monat um Monat verging, in dem die Delle in Bills Kopfkissen morgens der einzige Beweis war, dass er überhaupt zu Bett gekommen war, fragte ich mich, ob nicht doch ein Körnchen Wahrheit darin sei.
    Egal, wie viele Gemeinsamkeiten wir hatten –  Bill und ich hatten keinen gemeinsamen Hintergrund. Er war in einem noblen, denkmalgeschützten Wahrzeichen der Stadt auf gewachsen, ich dagegen in einem unscheinbaren Mietshaus auf der Westside von Chicago. Seine Ahnenreihe bestand aus hervorragenden Männern und Frauen, die erster Klasse mit dem Schiff aus England gekommen waren, noch ehe die Vereinigten Staaten vereinigt waren. Ich stammte von Joe und Beth Shepherd ab, einem überarbeiteten Geschäftsmann und einer Lehrerin, deren Ahnen sich die Schiffspassage nach Amerika wahrscheinlich damit verdient hatten, dass sie das Deck schrubbten. Ich war auf ein gutes College gegangen, Bill jedoch trug das Purpurrot von Harvard; und wenn Tante Dimity nicht gewesen wäre, dann wäre mein Vermögen kleiner gewesen als die Summe, die mein Mann jährlich für Schnürsenkel ausgab.

    Mit dem Tod meiner Mutter hatte ich die letzte Familienangehörige verloren, ich stand allein da.
    Bill hatte noch seinen Vater, mehrere Vettern an der Westküste und zwei Tanten, die in Boston, nicht weit von uns wohnten. Ich hatte Bills Vettern noch nicht kennen gelernt,
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