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Taken

Taken

Titel: Taken
Autoren: Erin Bowman
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der Morgensonne. Sie sagt, ich soll mich entspannen, aber ich kann nicht anders, als in ihre braunen Augen zu sehen, und rede einfach drauflos.
    »Möchtest du nachher etwas unternehmen?«, frage ich sie.
    »Unternehmen?« Ihre Miene zeigt eine Mischung aus Schock und Empörung.
    »Ja, zum Beispiel in die Schenke gehen, oder spazieren. Mir ist eigentlich alles recht.«
    »Meine beste Freundin verliert ihr Kind, du stehst kurz davor, deinen Bruder zu verlieren, und dir fällt dazu nichts Besseres ein, als mich in die Schenke einzuladen?« So, wie sie es ausdrückt, klingt es ziemlich abscheulich. »Du bist ihm überhaupt nicht ähnlich, weißt du das?«, setzt sie hinzu. »Ihr beide mögt ja gleich aussehen, aber ihr seid sehr, sehr unterschiedlich.«
    Ihre Worte verletzen mich, aber sie sind wahr.
    »So übel ist er nun auch wieder nicht, Emma, Liebes«, schaltet sich Carter von der Tür aus ein. »Menschen gehen nun einmal auf unterschiedliche Art damit um.« Ich bin mir nicht sicher, warum Carter mich in Schutz nimmt. Vielleicht kann sie nicht aufhören, mich zu bemuttern, auch wenn ich ihre Pflege seit Jahren nicht mehr brauche. Oder es liegt daran, dass sie eng mit meiner Mutter befreundet war oder ich sie an meinen Vater erinnere, denn sie hat mir unzählige Male erzählt, wie ähnlich Blaine und ich ihm sehen. So oder so bin ich ihr dankbar.
    »Haben sie dich dazu angestiftet? Der Rat?«, fragt Emma. »Du bist mir zugeteilt worden, stimmt’s?« Scharf sieht sie mir in die Augen.
    »Nein«, gestehe ich. »Nein, überhaupt nicht. Ich bin niemandem zugewiesen. Sie lassen mich in Ruhe wegen Blaine und dem Raub. Ich brauche mich eine Woche mit niemandem zu treffen, und ich bezweifle, dass ich in den nächsten paar Wochen jemanden sehe.« Jetzt dreht sich mein Kopf. Er will schlafen, aber ich kämpfe dagegen an.
    Emma zieht eine finstere Miene. »Dann sollte ich mich also geehrt fühlen, weil das eine echte Einladung ist? Mich darüber freuen, dass du mich aus eigenem Antrieb umwirbst und nicht, weil der Rat dich dazu drängt?«
    Sie hat die Stirn gerunzelt und stemmt die Hände in die Hüften. Ich habe sie noch nie so zornig gesehen.
    »Vergiss es einfach, Emma, ja? Ich habe nur gefragt. Niemand zwingt dich zu etwas.«
    Erschöpft sacke ich tiefer in das Bett hinein. Die Medizin hat gewonnen.
    Emma beugt sich über mich, die großen Augen auf mein Kinn gerichtet. Die Nadel nähert sich meiner Haut, aber ich spüre keinen Schmerz. Sie näht mich einfach zusammen wie eine Flickendecke. Dann wird es dunkel um mich, und ich schlafe ein.

3. Kapitel
    Als ich wieder zu mir komme, fühle ich mich benommen. Ich berühre mein Kinn und stelle fest, dass meine Haut mit feinen Stichen genäht ist. Im Krankenhaus befindet sich niemand außer Emma, die bei Kerzenlicht alte Lumpen in Streifen von der Größe von Bandagen reißt. Ich habe den ganzen Nachmittag verschlafen, das Abendessen, den … Panisch setze ich mich auf.
    »Habe ich es verpasst?«
    Emma fährt zusammen. »Du hast mich fast zu Tode erschreckt, Gray«, sagt sie und presst die Hand an die Brust.
    »Habe ich es verpasst?«, frage ich noch einmal. »Blaines Zeremonie? Den Raub? Ist es vorbei?«
    »Nein, es ist noch im Gange. Aber du hast die Ruhe gebraucht. Ich glaube, du hattest eine leichte Infektion, deswegen haben wir dich nach der Behandlung schlafen lassen. Sie haben ohne dich angefangen.«
    »Jetzt geht es mir jedenfalls gut«, sage ich und schwinge die Beine über die Bettkante. Ich versuche aufzustehen, doch mir verschwimmt alles vor den Augen. Schnell steht Emma neben mir, legt sich meinen Arm über die Schultern und schlingt die freie Hand um meine Mitte. Es dauert einen Moment, aber mit ihr an meiner Seite fühle ich mich stark.
    »Ich muss hingehen, Emma«, sage ich und wende mich ihr zu. Sie steht näher bei mir, als ich geahnt habe, und ihre Wimpern streifen beinahe mein Kinn. »Bitte. Hilfst du mir, hinzukommen?«
    Sie schweigt und dann zieht sie kaum wahrnehmbar die Augenbrauen hoch, als überrasche sie mein offensichtliches Interesse, an der Zeremonie teilzunehmen. Natürlich muss ich dabei sein. Dies ist das letzte aller letzten Male, der endgültige Abschied. Emma wartet, bis ich mein Gleichgewicht wiedergefunden habe, und führt mich dann aus dem Gebäude.
    Draußen ist es dunkel, es ist spät. Nur noch Minuten bis zu Blaines Geburtstag. Im Mondschein erkenne ich vor uns das Schulhaus. Auch wenn es nicht so aussieht, ist es ziemlich groß mit
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