Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan
Autoren: James Clavell
Vom Netzwerk:
diesem Heiden zwar nicht übel, daß er das verfluchte Opium gestohlen hat. War ganz richtig, daß er den Schmuggel unterbinden wollte. Aber die Flagge ist beleidigt worden. Engländer von heidnischen Teufeln nur gegen Lösegeld freigegeben! Longstaff hätte mir erlauben sollen, sofort weiter vorzustoßen. Aber nein. Er hat sich lammfromm zurückgezogen, alle miteinander auf die Handelsflotte evakuiert und mich an weiterem Vorstoßen gehindert. Mich, bei Gott, der ich die ganze Handelsflotte schützen mußte. Hol ihn der Teufel! Und zum Teufel auch mit Struan, der ihn an der Nase herumführt.
    Trotzdem kannst du von Glück sagen, daß du hier bist, dachte er. Das ist der einzige Krieg, den wir im Augenblick haben. Zumindest der einzige Seekrieg. Alles andere sind doch nur kleine Zwischenfälle: diese Übernahme der heidnischen indischen Staaten – bei Gott, die verehren sogar Kühe, verbrennen Witwen und werfen sich vor Götzen in den Staub –, und dann noch die Feldzüge in Afghanistan. Ein Gefühl des Stolzes wallte jäh bei dem Gedanken in ihm auf, daß er der größten Flotte der Welt angehörte. Gott sei Dank, daß er als Engländer geboren war!
    Plötzlich bemerkte er, daß sich Brock ihm näherte, und war erleichtert, als ein untersetzter, dicker Mann mit Stiernacken und einem gewaltigen Bauch, der über die Hose hinausquoll, ihn aufhielt. Dieser Mann mochte in den Dreißigern sein. Es war Morley Skinner, Eigentümer der Oriental Times, der bedeutendsten englischen Zeitung im Osten. Glessing las jede Nummer. Die Zeitung war gut geschrieben. Eine gute Zeitung war sehr wichtig, dachte er. Es war wichtig, daß über die Feldzüge zum Ruhme Englands ausführlich berichtet wurde. Aber Skinner war ein widerlicher Mann. Und alle anderen auch. Na gut, nicht alle. Nicht der alte Aristoteles Quance.
    Er blickte zu dem häßlichen kleinen Mann hinüber, der auf einer Anhöhe oberhalb des Strandes ganz allein auf einem Schemel vor einer Staffelei saß und offensichtlich eifrig malte. Glessing lachte in sich hinein und dachte an die fröhlichen Stunden, die er mit dem Maler in Macao verbracht hatte.
    Außer Quance mochte Glessing keinen einzigen Menschen dort am Strand, ausgenommen Horatio Sinclair. Horatio war ebenso alt wie er, und Glessing hatte ihn im Verlauf der zwei Jahre, die er im Osten war, recht gut kennengelernt. Horatio war auch einer der Mitarbeiter Longstaffs, sein Dolmetscher und Sekretär – der einzige Engländer im Osten, der Chinesisch in Wort und Schrift beherrschte. Sie hatten dienstlich miteinander zu tun gehabt.
    Glessing überflog mit seinen Blicken den Strand und entdeckte voller Abscheu, daß Horatio unten vor der auslaufenden Brandung stand und sich mit Wolfgang Mauss unterhielt, einem Österreicher, den er, Glessing, verachtete. Pfarrer Mauss war der einzige andere Europäer im Osten, der Chinesisch zu schreiben und zu sprechen verstand. Er war ein riesiger, schwarzbärtiger Mann – ein abtrünniger Priester, Struans Dolmetscher und Opiumschmuggler. In seinem Gürtel steckten Pistolen, die Schöße seines Gehrocks hatten Stockflecken. Er hatte eine rote Knollennase, und sein langes, schwarzes, mit Grau untermischtes Haar war glanzlos und zerzaust wie sein Bart. Die paar Zähne, die er noch im Mund hatte, waren abgebrochen und braun. Das derbe Gesicht wurde von den Augen beherrscht.
    Welcher Gegensatz zu Horatio, dachte Glessing. Horatio war blond, schmächtig, und seine Gesichtszüge ähnelten denen Nelsons, nach dem er genannt worden war – wegen Trafalgar und wegen des Onkels, den er dort verloren hatte.
    An dem Gespräch beteiligte sich auch ein hochgewachsener, geschmeidiger Eurasier, ein junger Mann, den Glessing nur vom Sehen kannte – Gordon Tschen, Struans unehelicher Sohn.
    Bei Gott, dachte Glessing, wie kann nur ein Engländer mit dieser Mischlingsbrut in aller Öffentlichkeit so herumstolzieren? Und dieser ist noch dazu gekleidet wie alle diese elenden Heiden – in ein langes Gewand und mit einem verdammten Zopf im Rücken. Bei Gott! Wären nicht die blauen Augen und die helle Haut, man könnte ihm überhaupt nicht ansehen, daß er englisches Blut hat. Warum in aller Welt schnitt er sich nicht die Haare wie ein Mann? Ekelhaft!
    Glessing wandte sich ab. Wahrscheinlich ist dieser Mischling trotz allem in Ordnung. Er kann schließlich nichts dafür. Aber dieser verdammte Mauss ist ein übler Geselle. Schlecht für Horatio und schlecht für seine Schwester, die liebe Mary. Das ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher