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Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)

Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)

Titel: Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
Autoren: Nika Lubitsch
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erbt?“
    „Wie war sein Verhältnis zur Familie?“, fragte Elke.
    Alle Augen blickten auf Judith. „Woher soll ich das wissen?“
    „Das sind die Fragen, auf die Sie bei den Interviews hinarbeiten sollten. Vorsichtig natürlich, indirekt“, mahnte Alice von Kaldenberg.

Judiths erster Auftrag
    Judith durfte den blauen Dienst-Smart nehmen, oder wie sie ihn am Kudamm nannten: die Aldi-Tüte. Hüsy zeigte ihr, wie die komische Halbautomatik funktionierte. Sie hatte zwar einen Führerschein, aber ihre Fahrkünste waren mangels finanzierbaren Fortbewegungsmittels ein bisschen eingerostet.
    Mit Herzklopfen fädelte sie sich aus der Miniparklücke am Kudamm in den laufenden Verkehr ein und machte sich auf den Weg nach Westend, wo Frau Dr. Linda Sprengler mit ihrer Klinik residierte. Auch so ein Berliner Kiez, den Judith nicht kannte. Zu ihrem größten Erstaunen hatte sie noch für denselben Nachmittag einen Termin bekommen. Spätestens auf der Reichsstraße war ihr Herzklopfen einer unbändigen Freude gewichen, die Aldi-Tüte und Judith hatten sich gerade ineinander verliebt. Laut singend und lässig in den Autositz gelümmelt, verhedderten sie sich in dem Gewirr der kleinen Straßen, die von prächtigen Villen und alten Bäumen gesäumt wurden. Ihre Stadtplan-Lesekünste waren in etwa so groß wie ihr Wissen über maltesische Briefmarken. Aber wozu hat Frau einen Mund? Als sie endlich einen Menschen inklusive Hund in den wie ausgestorben wirkenden Straßen fand, benutzte sie ihn auch. Der gute Mann wies ihr den Weg, so sehr hatte sie sich gar nicht verheddert. Später fiel ihr ein, dass sie ja auch das Smartphone hätte befragen können. Vor einer weißen Gründerzeitvilla stellte sie die Aldi-Tüte souverän in eine Parklücke, in die auch locker ein Rolls-Royce gepasst hätte. Alles war gut.
    Die Sprenglersche Prachtvilla wirkte auf sie in etwa so echt wie Walt Disneys Magic Kingdom. Oder wie das Haus aus Hitchcocks ‚Psycho'. An einer Seite der Villa war ein runder Turm angebaut, der ein hohes, spitzes Dach trug, das aussah wie der überdimensionale Hut eines Zauberers. Rund um das grüne Schieferdach war ein schmiedeeiserner Zaun angebracht, der dem zweistöckigen Bau etwas Wehrhaftes gab. Im ersten Stock befand sich ein Balkon, der von einer alten Glyzinie überwuchert war. Fehlte nur noch Cinderella.
    Das Anwesen war von einem Zaun umgeben, dahinter blühten verschwenderisch weiße Rhododendren. Am Zaun hing ein dezentes Messingschild: Sprengler – Klinik für Plastische Chirurgie. Sie klingelte. Nichts rührte sich.
    Hallo? Hier war es so still wie nachts auf dem Friedhof von Havelberg. Judith klingelte noch mal. Lebte hier wirklich jemand? Sie schaute den Zaun entlang und sah, dass ein großes Tor offen stand, das auf einen gepflasterten Weg führte. Da hinein? Sie klingelte noch mal. Diesmal behielt sie geschlagene 30 Sekunden ihren Finger auf der Klingel. Es war kein Geräusch zu hören. Verdammt, wollte hier einer mit ihr Katz und Maus spielen?
    Sie trat den Rückzug an, öffnete die Aldi-Tüte und dachte über ihre Möglichkeiten nach. Als Erstes nahm sie das Firmenhandy und wählte die Nummer von Frau Linda. Anrufbeantworter.
    Jetzt könnte sie natürlich die Kaldenberg anrufen und sich beklagen. Könnte sie, wollte sie aber nicht. Schließlich war es ihr erster Rechercheauftrag, sie würde beweisen, dass Judith Schilling sich nicht so leicht abwimmeln ließ. Es war jetzt zehn nach vier, sie hatte den Termin um vier Uhr gehabt. Vielleicht war Frau Doktor Kuchen holen gegangen oder Gassi mit Fiffi, also beschloss sie zu warten.
    Nach zehn Minuten reichte es ihr. Solange brauchte nicht mal eine Frau Doktor, um Kuchen zu kaufen. Und Fiffi hätte in der Zeit den gesamten Baumbestand von Westend düngen können. Wenn Frau Doktor schon indisponiert war, dann musste sie jetzt allen Mut zusammen nehmen. Das Tor war schließlich offen, also mal sehen, was sich hinter dem Haus erspähen ließ. Sie könnte wenigstens ein paar Fotos mit dem Handy machen.
    Judith ging im Stakkatogang, laut pfeifend durch das angelehnte Tor über einen gepflasterten Weg, vorbei an dem runden Turm.
    Sie hatte ein mulmiges Gefühl im Magen, als sie um die Hausecke bog. Es war einfach zu still. Ihr war, als ob sie tausend Augen beobachten würden. Nicht mal ein Vogel war zu hören. Die Stille schrie ihr entgegen: Vorsicht! Sie kannte dieses Gefühl von früher, wenn sie im Wald Verstecken gespielt hatten. Man wusste ganz genau, dass
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