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Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)

Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)

Titel: Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
Autoren: Nika Lubitsch
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allen osteuropäischen Tussis eigen ist, denen es gelungen ist, sich einen reichen West-Mann zu angeln. Sie trat beiseite und ließ Judith eintreten in das … Vestibül? Diele? Empfangssalon? Auf jeden Fall war dieses Etwas größer als ihre Einraumwohnung, inklusive Klo und Küche.
    „Bitte nehmen Sie Platz“, sagte die Mieze, und es hörte sich an, als ob sie ihrem Hund sagte: „Platz, Bello, bei Fuß.“ Dabei wies sie auf zwei Ledersessel, die bedenklich an Filme aus der Nazizeit erinnerten. Zwischen den beiden Sesseln stand ein kleiner Messingtisch, frühes Marokko, auf dem sich die neuesten Ausgaben von Spiegel und Stern befanden. Der Ostimport schloss die Tür und verschwand mit dem Staubsauger, der auf einem riesigen, dunkelroten Perserteppich lag, in einem Gang zu ihrer Linken. Ihre Stöckelschuhe hinterließen ein lautes KlackKlack auf dem glänzenden Parkett. Schlau, dachte Judith, der Junker lässt seine Mieze auch noch in High Heels putzen.
    Judith ließ sich in einen der Nazisessel plumpsen und schaute sich um. An der Stirnseite war zwischen zwei Türen ein Kamin eingelassen, mit einem schmiedeeisernen Gitter davor. Darüber hing irgendeine scheußlich dreinblickende Urahnin in einem Blattgoldrahmen.
    Wenn Kaldenberg genauso guckt, renne ich gleich weg, dachte sie.
    Hinter den Türen rechts und links vom Kamin hörte sie Telefonklingeln und gedämpfte Stimmen. Gegenüber der Sitzgruppe war eine geschlossene, breite Schiebetür mit ziselierten Scheiben. Hier schlug der Kitsch wirklich Purzelbaum. Die linke Tür wurde geöffnet und eine ältere Frau in einem flaschengrünen Hosenanzug, die sich auf einen Stock stützte, ging schnell durch das Vestibül auf die Schiebetür zu. Sie bedachte Judith mit einem angedeuteten Nicken und verschwand hinter den milchigen Kitschscheiben. Judith schaute auf die Uhr. Wie lange wollte sie der Herr eigentlich schmoren lassen? Hatte der Ostimport überhaupt gemeldet, dass sie hier wartete? Die Tür rechts vom Kamin wurde geöffnet, eine Frau Mitte dreißig in Schwarz hastete heraus, dabei blähte sich ihr weiter Rock um ihre Beine wie ein Segel im Wind. Sie schaute Judith über eine halbe, schwarze, ziemlich zickige Lesebrille hinweg an.
    „Auf wen warten Sie?“, fragte sie in einem Ton, als wäre Judith ein unerwünschter Eindringling.
    „Auf Herrn Kaldenberg“, sagte Judith in einem Ton, der keinen Zweifel daran aufkommen ließ, dass sie nur gewillt war, mit dem Chef zu sprechen.
    „Aha“, sagte die zickige Lesebrille und verschwand in dem Gang neben der Eingangstür, durch den sich auch der Ostimport abgeseilt hatte. Minutenlang passierte nichts, dann hörte sie Gelächter aus dem Gang und fragte sich, ob der Ostimport und die Zickenbrille sich gerade über sie lustig machten. Zickenbrille kam mit einem Becher zurück und schloss behutsam die Tür hinter sich. Judith schaute auf die Uhr, jetzt saß sie hier schon eine Viertelstunde und es schien kein Schwein zu interessieren. Na prima. Sie griff zum Spiegel . Ihre Lektüre über die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wurde jäh unterbrochen durch ein schrilles Klingeln. Sie fragte sich, ob sie die Bewerber hier gleich reihenweise antanzen ließen und wartete auf den Ostimport, als sie die eiligen Schritte aus dem Gang links hinter sich hörte. Diesmal allerdings war es eine ältere Frau mit einem grauen Bob in Jeans und blauem T-Shirt, die sich geschmeidig wie eine junge Frau auf die Tür zu bewegte und sie schwungvoll aufriss.
    „Bernie“, rief sie entzückt und so laut, dass man sie garantiert noch gegenüber im Kempinski hörte. „Welch’ eine Überraschung, Liebling!“
    Judith blickte verstohlen vom Spiegel auf, als sie das schnalzende Bussi-Bussi hörte. Igitt. Die Frau mit dem grauen Bob zog ‚Bernie, Liebling' in die Wohnung.
    „Da wird Alice sich aber freuen! Seit wann bist du in Berlin, Schatz?“, fragte sie.
    „Just arrived, meine liebe Elke“, antwortete Bernieliebling und lächelte Judith an.
    Den kenne ich doch irgendwoher, dachte sie. Während die Frau die kitschige Schiebetür öffnete und rief: „Alice, stell dir vor, Bernie ist da!“, scannte Judith den Mann und verglich die Daten mit ihrer eingebauten Festplatte. Klein, kräftige Nase, volles, graues Haar und sein Anzug ließen keinen Zweifel an seinem Beruf aufkommen. Alles an ihm schrie: Künstler!
    Liebe Güte, das ist doch nicht etwa …!, dachte sie.
    „Ich bringe euch gleich einen Kaffee“, sagte der graue Bob und schloss
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