Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
Autoren: Jan Costin Wagner
Vom Netzwerk:
erleuchtet war. In allen Zimmern schien Licht zu brennen.
    Joentaa erinnerte sich an das Haus und an den Tag im Sommer vor einigen Jahren, an dem Sanna noch gelebt hatte und sie gemeinsam dort gewesen waren, er erinnerte sich daran, dass es in einem ganz feinen, weichen Hellblau gestrichen war, das jetzt im Dunkel nur zu erahnen war, und er erinnerte sich jetzt auch an die Irritation, die der Anblick des Hauses im ersten Moment ausgelöst hatte.
    Er hatte Sanna gefragt, ob es sein könne, dass dieses Haus gerader stehe als die anderen, und Sanna hatte gelacht und gesagt, er sei ein guter Beobachter, denn Lasse Ekholm sei in Bezug auf Symmetrie und Statik der unangefochten brillanteste Architekt, den sie kenne. »Und das ist etwas Schönes, Kimmo, ich arbeite für die Ewigkeit. Die Häuser, die wir planen, sollten eigentlich auch noch stehen, wenn die Welt schon untergegangen ist.«
    Dann waren sie ausgestiegen und auf das Haus zugelaufen, und Joentaa war fast ein wenig erleichtert gewesen, dass gleich im Eingangsbereich Schuhe kreuz und quer gestanden hatten, bunte Schuhe, Annas Schuhe, und Lasse Ekholm hatte sie ganz entspannt begrüßt, woraus Joentaa geschlossen hatte, dass sich sein Sinn für Ordnung und gerade, rechtwinklige Formen auf die Häuser zu beschränken schien, die er baute.
    Sie waren durch den Flur in ein weites, helles Wohnzimmer gelaufen, Kirsti Ekholm hatte Lasagne gekocht, die sehr gut geschmeckt hatte, und Sanna hatte nach dem Rezept gefragt. Kirsti Ekholm hatte sich darüber gefreut und die Zutaten aufgezählt, und Joentaa war durch eine geöffnete Tür nach draußen gegangen, in den lauen Sommerwind, um mit Lasse Ekholm und der kleinen Anna Fußball zu spielen. Eine Schaukel, einige Meter entfernt, an der Schwelle zum Wald, in den der Garten überging. Anna hatte ein Tor geschossen und das laut gefeiert, und Kimmo Joentaa hatte sich beiläufig gefragt, wo der Garten endete, wo der Wald begann, und es als angenehm empfunden, dass es keinen Zaun gab, keine Linie, die die Grenze zwischen dem Grundstück und dem Wald vor Augen führte.
    »Ich …«, sagte Lasse Ekholm, der neben ihm saß. Joentaa nahm den Blick vom Haus und sah Ekholm an, der müde und gehetzt zugleich aussah, und er dachte, dass kein weiteres Wort gesprochen werden sollte, keines, weder Lasse Ekholm noch er noch sonst irgendwer sollte noch irgendetwas sagen, weil alles gesagt war.
    »Ich … möchte das … erst mal allein … machen«, sagte Ekholm.
    Joentaa nickte und sah wieder das Haus an. Er erinnerte sich, er stand im Garten, Blumen an der Seite, und Lasse Ekholm sprang nach dem Ball, aber er tat nur so, in Wirklichkeit wollte er den Ball passieren lassen, um Anna eine Freude zu machen, und während Anna den Torerfolg bejubelt und Lasse Ekholm beteuert hatte, der Ball sei nicht haltbar gewesen, hatte Joentaa Sannas Blick gesucht. Sanna hatte am Rand an einem Tisch gesessen und war in ein Gespräch mit Kirsti Ekholm vertieft gewesen, vermutlich über die Zutaten für eine Lasagne, die Sanna und er nicht mehr gekocht hatten, bevor sie gestorben war.
    »Ich möchte kurz mit Kirsti sprechen«, sagte Ekholm. »Aber bitte, Kimmo, bleiben Sie?«
    »Natürlich«, sagte Joentaa.
    Ekholm nickte. »Ich komme dann raus und würde mich freuen, wenn Sie … ich glaube, ich möchte, dass Sie hierbleiben und warten.«
    »Das mache ich«, sagte Joentaa.
    Ekholm nickte noch einmal, dann stieg er aus und lief auf das Haus zu. Joentaa sah ihm nach. Er sah, dass Ekholm an der Tür stand und dass die Tür geöffnet wurde. Er erahnte die Silhouette einer Frau und sah Ekholm, der sprach und sparsam gestikulierte, ein wenig gebückt stehend. Er zuckte zusammen, als der Notarzt gegen die Scheibe auf der Fahrerseite klopfte. Joentaa öffnete die Tür.
    »Wie geht es weiter?«, fragte der Notarzt.
    »Er möchte kurz mit seiner Frau sprechen und hat mich gebeten zu bleiben. Und ich bitte Sie, auch zu bleiben.«
    Der Notarzt nickte, und als sich Joentaa wieder dem Haus zuwendete, sah er, dass Ekholm auf sie zukam. Joentaa stieg aus dem Wagen, und Ekholm sagte:
    »Ich brauche Hilfe, denke ich … ich habe Kirsti gesagt, was passiert ist, aber sie … versteht es nicht richtig …«
    Der Notarzt ging schon auf das Haus zu, und auch die beiden Sanitäter stiegen jetzt aus und folgten ihm. Joentaa lief neben Ekholm, der kaum hörbar den Namen seiner Frau aussprach, und Kirsti Ekholm stand auf der Schwelle zum Haus und begrüßte sie, als sie näher
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher