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Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
Autoren: Jan Costin Wagner
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an einem Tisch in der Sonne gesessen und sich mit Kirsti Ekholm unterhalten. Ein schöner Tag im Sommer war das gewesen, die Ekholms hatten sie eingeladen.
    Er fuhr auf der Landstraße zur Eishalle und sah schon in der Ferne die flackernden roten und blauen Lichter, und dann sah er das Auto, das keine Beifahrertür und keine Windschutzscheibe mehr hatte und verloren am Waldrand im Licht von Scheinwerfern stand. Uniformierte Polizisten standen um das Fahrzeug herum, und vor einem Krankenwagen beugte sich ein Sanitäter über einen in eine Decke gehüllten Mann.
    In Decken gehüllt hatte Sanna auf dem Steg am See gesessen, in den Wochen vor ihrem Tod.
    Joentaa stieg aus und ging auf den Krankenwagen zu. Er hörte, wie der Sanitäter leise und beruhigend mit dem Mann zu sprechen versuchte. Einer der uniformierten Polizisten kam auf ihn zu und bat ihn weiterzufahren, bevor er ihn erkannte. »Kimmo, gut, dass du da bist. Du hast schon …«
    »Ein Mädchen, elf Jahre alt.«
    »Ja.«
    »Anna Ekholm«, sagte Joentaa.
    »Das … weiß ich, ehrlich gesagt, nicht, die Kollegen dahinten waren zuerst vor Ort …«
    »Doch, Anna Ekholm«, sagte Joentaa und ging weiter, auf den Krankenwagen zu, vor dem, in eine Decke gehüllt, Lasse Ekholm saß. Joentaa hörte die Stimme des Notarztes, der Ekholm zuredete, einzusteigen. Aber Ekholm schüttelte den Kopf. Er saß im Schnee vor dem Rettungswagen, und als Joentaa bei ihnen war, wusste er nicht, was er sagen sollte. Ekholm sah auf und schien einige Sekunden lang Joentaas Gesicht mit Erinnerungen abzugleichen.
    »Ich bin es, Kimmo«, sagte Joentaa. »Meine Frau, Sanna, hat bei euch im Architekturbüro gearbeitet.«
    Ekholm sah ihn weiter an, dann nickte er kaum merklich, senkte wieder den Blick, und Joentaa setzte sich neben ihn in den Schnee. »Gleich, noch ein paar Minuten«, sagte Joentaa zu dem Notarzt, der nickte und ging.
    Sie saßen schweigend, und Joentaa sah den Kollegen zu, die sich darum bemühten, im trüben Licht der Scheinwerfer Entfernungen abzumessen und Bremsspuren zu sichern. Er dachte an Sanna, an den Sommertag in Lasse Ekholms Garten, an Lasse Ekholm, der lachend einen Schuss seiner Tochter parierte.
    Er betrachtete das Autowrack, das in einem leeren Raum unter Bäumen stand.
    »Anna …«, sagte Ekholm nach einer Weile. Es klang wie eine Frage, die er an Joentaa richtete, in der Hoffnung, eine Antwort zu erhalten.
3
    Der Notarzt wollte Lasse Ekholm ins Krankenhaus bringen, und Lasse Ekholm wollte nach Hause fahren.
    »Wir sind auf dem Heimweg«, sagte er.
    »Herr Ekholm …«, sagte der Notarzt.
    »Wir sind auf dem Heimweg. Ich will jetzt weiterfahren. Kirsti … wartet schon.«
    »Herr Ekholm, Sie hatten einen Unfall. Wir sollten zunächst zumindest eine ambulante …«
    »Können Sie mich fahren, Kimmo?«, fragte Lasse Ekholm, und Joentaa, der den beiden zugehört hatte, ohne den Blick von dem Autowrack abwenden zu können, sah zunächst Ekholm an und dann den Notarzt. Er stand auf und signalisierte dem Notarzt, ihm zu folgen. Der Arzt, ein recht junger, schmaler Mann, folgte ihm.
    »Ist es möglich, zunächst nach Hause zu fahren? Ich glaube nicht, dass es jetzt in erster Linie um die Versorgung seiner Verletzungen geht, sondern darum, dass er nach Hause möchte«, sagte Joentaa.
    Der Arzt runzelte die Stirn, nickte aber.
    »Und Sie kommen auch mit? Seine Frau, Kirsti, weiß wohl noch nicht, was passiert ist. Sie werden vielleicht helfen müssen. Beiden.«
    Der Arzt schwieg einige Sekunden lang, dann schien er sich einen Ruck zu geben und sagte: »Dann machen wir es so. Obwohl der Mann natürlich eingehender untersucht werden muss. Er realisiert das jetzt nicht, aber er hat einige Verletzungen, deren Schweregrad ich noch nicht einschätzen kann … gut, wir fahren ihn erst mal nach Hause … Sie fahren voraus, wir fahren hinterher.«
    Joentaa nickte. »Danke«, sagte er.
    Während sie fuhren, sah er den Notarztwagen im Rückspiegel, der ihnen folgte, ohne die Sirene angeschaltet zu haben, wie ein Schatten, still, aber beharrlich, ein Begleiter, der daran erinnerte, dass sich etwas verändert hatte, nicht mehr stimmte, dass die Welt aus den Fugen geraten war.
    »Kirsti …«, sagte Ekholm. Er sagte den Namen einige Male, während sie fuhren. Mehr nicht. Dann standen sie vor dem Haus, und Joentaa schaltete den Motor aus und sah, wie der Notarztwagen hinter ihnen zum Stillstand kam. Sie saßen schweigend, und Joentaa betrachtete das Haus im Dunkel, das hell
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