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Tag und Nacht und auch im Sommer

Tag und Nacht und auch im Sommer

Titel: Tag und Nacht und auch im Sommer
Autoren: Frank McCourt
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kämpfen, keine Kabbeleien wie im Kino, mit unglücklicher Liebe und dramatischer Hintergrundmusik, sondern rabiate Schlägereien, bei denen sie stöhnen und einander verfluchen, bei denen Italiener, Schwarze, Iren, Puertoricaner mit Messern, Ketten und Baseballschlägern im Central Park und im Prospect Park aufeinander losgehen und das Gras mit ihrem Blut färben, das immer rot ist, egal, wo es herkommt. Wenn es dann einen Toten gibt, geht ein Aufschrei durch die Öffentlichkeit, sofort heißt es, die Schulen und die Lehrer müßten nur ihre Pflicht tun, dann würden so schreckliche Dinge nicht passieren. Es gibt Patrioten, die sagen, wenn diese Halbstarken die Zeit und die Energie haben, sich gegenseitig zu verprügeln, warum schicken wir sie dann nicht einfach nach Übersee? Da können sie sich dann mit den gottverdammten Kommunisten prügeln und das Problem ein für allemal aus der Welt schaffen.
    Berufsschulen wurden von vielen als Müllkippen für Schüler betrachtet, bei denen es für die normale High School nicht gereicht hatte. Das war Snobismus. Es kümmerte die Öffentlichkeit nicht, daß es Tausende junger Leute gab, die gern Automechaniker, Kosmetikerinnen, Maschinisten, Elektriker, Klempner oder Schreiner werden wollten. Und die mit der Reformation, dem Krieg von 1812, mit Walt Whitman, der Kunstbetrachtung oder dem Liebesleben der Fruchtfliege nichts am Hut hatten.
    Was soll’s, Mann, wenn’s sein muß, dann machen wir’s halt. Hocken uns rein und hören uns den Scheiß an, der nichts mit unserem Leben zu tun hat. Wir arbeiten in unserer Werkstatt,
wo wir was über die richtige Welt lernen, und geben uns Mühe, nett zu den Lehrern zu sein, damit wir hier nach vier Jahren rauskommen. Uff!
     
    Da sind sie. Die Tür knallt gegen die Leiste unten an der Tafel und wirbelt eine Kreidewolke auf. Ein Mordsspektakel. Sie könnten doch einfach hereinkommen, guten Morgen sagen und sich hinsetzen. Aber nein. Sie müssen schubsen und drängeln. Einer sagt in gespielt drohendem Tonfall He, ein anderer kontert sofort mit He. Sie beleidigen einander, ignorieren das zweite Klingeln, lassen sich Zeit mit dem Hinsetzen. Alles klar, Baby. Guckt mal, da sitzt ein neuer Lehrer, und neue Lehrer haben keinen Schimmer von gar nichts. Was soll’s? Klingel? Lehrer? Neuer Typ. Wer ist das? Wen juckt’s ? Sie unterhalten sich über mehrere Reihen hinweg, rekeln sich in Bänken, die zu klein für sie sind, strecken die Beine aus und lachen, wenn einer drüberstolpert. Sie schauen aus dem Fenster, auf die amerikanische Flagge oder auf die Bilder, die Miss Mudd, inzwischen pensioniert, an die Wände gehängt hat, Bilder von Emerson, Thoreau, Whitman, Emily Dickinson und – wie kommt der hierher? – Ernest Hemingway. Es ist das Titelbild aus der Illustrierten Life , man sieht es überall. Mit Taschenmessern ritzen sie ihre Initialen in die Tischplatten, Liebeserklärungen mit Herzen und Pfeilen neben den alten Schnitzereien ihrer Väter und Brüder. Manche Platten sind so ramponiert, daß man die eigenen Knie durch die Löcher sieht, wo früher Herzen und Namen waren. Pärchen sitzen nebeneinander, halten Händchen, flüstern und sehen sich tief in die Augen, während drei Jungen ganz hinten mit dem Rücken an den Spindtüren dubidu singen, Baß, Bariton und Oberstimme, Mann, mit den Fingern schnippen und allen zeigen, daß sie einfach nur verliebte Teenager sind.
    Fünfmal täglich kommen sie hereingepoltert. Fünf Klassen, dreißig bis fünfunddreißig pro Klasse. Teenager? In Irland kannten wir die aus amerikanischen Filmen, verdrossen und pampig,
immer in Autos, und wir fragten uns, warum sie so verdrossen und pampig waren. Sie hatten Essen, Kleider und Geld und waren trotzdem fies zu ihren Eltern. In Irland gab es keine Teenager, jedenfalls nicht in meiner Welt. Man war Kind. Man ging zur Schule, bis man vierzehn war. Wenn man fies zu seinen Eltern war, bekam man eine gelangt, daß man durchs ganze Zimmer flog. Man wuchs heran, wurde Arbeiter, heiratete, trank am Freitagabend sein Bier, bestieg hinterher seine Frau und sorgte so dafür, daß sie ständig schwanger war. Nach ein paar Jahren wanderte man nach England aus, um auf Baustellen zu schuften oder in die Streitkräfte Seiner Majestät einzutreten und für das Empire in den Krieg zu ziehen.
     
    Die Sache mit dem Pausenbrot begann, als ein Junge namens Petey rief, will jemand ein Mortadella-Sandwich?
    Soll das ein Witz sein? Deine Mutter muß einen schönen Haß
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