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Tag der geschlossenen Tür

Tag der geschlossenen Tür

Titel: Tag der geschlossenen Tür
Autoren: Rocko Schamoni
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wie Kot in deinem Gewinde, und abgeflachstes Stronzium brät auf silbernen Geiern über die Welt. Meine Damen und Herren, das Hulakarken-Obitionilium übernimmt die gesamte Verantwortung!
    Es geht rein um den Klang und den Fluss. Manchmal gelingen mir ganz außergewöhnliche Buchstabenkompositionen. Häufig entstehen Namen in mir. Ich habe eine stattliche Liste von Namen, die mir wie aus dem Nichts zufliegen. Vielleicht sind es die Namen von Toten? Vielleicht sind es die Namen von Menschen aus einer Parallelwelt? Vielleicht sind es die Namen derjenigen, die kommen werden?
    Heute Morgen aber bleibt es still in mir. Ich warte, horche in mich hinein, aber dort ist gar nichts, meine Finger bleiben absolut ruhig. Irgendwann nehme ich die Hände von der Maschine, lege sie auf den Tisch, spiele mit einem Kugelschreiber, hebe ihn mit der rechten Hand neben den Stuhl. Ich lasse ihn los. Er schwebt in der Luft, etwa einen Meter über dem Boden. Er schwankt, dreht sich langsam wie eine ausschwingende Kompassnadel, bleibt dann stehen und hängt fast unbeweglich in der Luft. Ich stehe auf und umrunde ihn vorsichtig, ich bücke mich und schaue von unten auf den Kuli. Er wird von nichts gehalten und schwebt ganz ruhig weiter. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich fühle mich weder ängstlich noch unsicher, nur ein wenig ratlos. Schließlich setze ich mich wieder und warte, schaue auf den Kuli. Nach einer Weile wird mir langweilig. Ich nehme ihn und lege ihn zurück zu den anderen Stiften. Ich werde heute nicht schreiben.

Keine Sympathien für Vitamine!
     
    I ch sammle gerne. Als Kind habe ich tatsächlich Briefmarken gesammelt. Später Platten und Bücher. Auch Eintrittskarten von Konzerten, Lesungen und Ausstellungen. Erinnerungen. Spuren durch ein Leben. Beweise dafür, gewesen zu sein. All das habe ich irgendwann aufgegeben, denn diese Sammlungen gerieten bei mir zu Sackbahnhöfen, Erinnerungsstauräumen, die gesammelten Objekte wurden zu unbenutzten, toten Gegenständen, die ich nur hatte, um sie zu haben, und die ich aus diesem Grund irgendwann alle wieder loswerden musste. Nun sammle ich Lebendiges. Feinstoffliches. Organisches. Ich sammle Krankheiten, Krankheiten faszinieren mich. Der Mensch ist kein abgeschlossenes Individuum, er ist ein Mischwesen, ein Superorganismus, der über zweitausend verschiedene Bakteriensorten in sich trägt, die, laut der American Society for Cell Biology , wenn man sie herausnehmen und wiegen könnte, über zwei Kilogramm Gewicht ergeben würden und ohne die der Mensch überhaupt nicht lebensfähig wäre. Das Erbgut meiner Besiedler ist hundertmal so groß wie meines, quantitativ gesehen. Ich bin zweitausend Lebensformen. Mein Leben funktioniert nur, weil wir alle in mir leben. Ich bin ein Bakterientransporter, ein Fahrzeug für Kleinstlebewesen, ein Virenflugzeugträger. Sonntag 2000 XL.
    Ich sammle Krankheiten, seit ich volljährig bin. Als Kind war ich selten krank, aber in meiner Adoleszenzphase entdeckte ich, dass eine plötzliche Krankheit wunderbar als Ausrede herhalten kann, um zumindest für kurze Momente nicht funktionieren zu müssen. Und seit dem Moment, als ich bei meinen Eltern ausgezogen bin, um in die Großstadt zu ziehen und ein eigenes Leben zu beginnen, arbeite ich mit Krankheiten. Sie sind sozusagen der Job meines Lebens. Wenn ich krank bin, muss ich nicht funktionieren. Mindestens einmal die Woche bin ich krank. Was bei mir dazu führt, dass ich oft nicht länger als ein halbes Jahr in einem Job verweile, weil mir dann wegen Unzuverlässigkeit gekündigt wird. Da ich eigentlich einen gesunden und widerstandsfähigen Körper habe, ist es nicht so einfach, glaubhaft krank zu werden. Und das muss ich ja sein, um einen gelben Schein vom Arzt zu bekommen. Ich habe mir viele Methoden ausgedacht, um krank zu werden. Das Vortäuschen ist auf Dauer nicht glaubhaft. Am Ende meiner Zeit bei der Post musste ich mich sogar einmal von einem Amtsarzt untersuchen lassen, da man mir meine ständige Grippe nicht mehr abnahm. Der Arzt kam zu dem Schluss, dass ich kerngesund sei und über ein extrem gut funktionierendes Abwehrsystem verfüge. Diese Einschätzung bot Anlass zur sofortigen Kündigung.
    Die einfachste Methode, krank zu werden, ist, sich in der Nähe von kranken Menschen rumzutreiben. Ich streife oft in meiner Freizeit in der Nähe von kranken Menschen herum. Ich habe ihnen gegenüber keine Berührungsängste, im Gegenteil, ich begrüße und umarme auch diejenigen, die
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