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Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde
Autoren: O Krouk
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Mini-Strauß an eine Spinne erinnerte. »Wer war bei mir?«
    Er betrachtete die Blumen. Schwieg.
    »Du darfst zu mir sprechen. Wer hat mich besucht, während ich bewusstlos war?«
    Er hob den Blick. Nur Menschen waren in der Lage, einen auf so eine seltsame Weise anzuschauen. Kaum ein Wort zu verlieren und trotzdem alles zu sagen. »Niemand.«
    »Und dieser Niemand heißt – wie?«
    »Niemand heißt niemand.«
    Sie musterte ihn, die Ränder unter seinen Augen, die geschwungenen Linien seines Mundes, das müde Gesicht.
    Du bist nicht nur selten dämlich, Zarah, du bist auch eine absolut lausige Menschenleserin. Aus dem würde sie nichts rauskriegen, wenn sie nicht gerade vorhatte, ihn zum Verhör in den sogenannten Peintrakt des Ordnungsamtes zu schleppen.
    Schwerfällig stieß sie sich von seinem Tisch ab und schlenderte an der Dämonenkrankenschwester vorbei. »Alles in Ordnung. Mit den Entlassungspapieren.«
    Seine Stimme holte sie ein. »Es sei denn …« Der Arzt stand auf, kam auf sie zu und legte ihr die Blumen wieder in die Hand. »Es sei denn, Sie glauben an … Geister .«
    Sie wusste nicht, warum sie ihre Finger um die Blumen schloss und den Strauß annahm. Sie hörte auch kaum das Gelächter der Dämonenfrauen und das spöttische: »98 Jahre Dämonenherrschaft, und die Menschen haben es immer noch nicht gelernt. Die Geister sind doch längst unter uns, man muss nicht an sie glauben.«
    Geister .
    Geist.
    G.host.
    Sie glaubte an ihn, hatte ihm sofort geglaubt, als der erste Auftragszettel den Weg in ihre Hände gefunden hatte und sie damit die Möglichkeit bekam, den Verhaftungsbefehlen zuvorzukommen.
    Die Kehle schnürte sich ihr zu.
    Sie fuhr herum und lief. Lief so lange, bis sie draußen war und die kalte Luft einsog, bis sich ihre Atmung beruhigte und sie in ihren Panzer zurückfand. Rational denken. Gut so.
    Ob sie sich ein Taxi rufen sollte? Ihr Dienstmotorrad stand sicherlich beim Ordnungsamt. Zu Fuß von Volksdorf ins Stadtzentrum bräuchte sie gute dreieinhalb Stunden. Aber warum nicht. Ihr Budget war ohnehin schon überstrapaziert durch die letzten Ausgaben.
    Sie verließ das Gelände des Krankenhauses, das sich auf einer kleinen Anhöhe erstreckte, und schlenderte die Farmsender Landstraße entlang. Zu dieser Nachtstunde herrschte in der Gegend eine gespenstische Stille. Der Krieg nach dem Ende der Welt hatte die menschliche Bevölkerung so drastisch dezimiert, dass sie sich auch nach fast 100 Jahren noch nicht davon erholt hatte. Die meisten Häuser standen leer und zerfielen von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer mehr zu Ruinen. Blechskelette säumten die Straßenränder – einst dort abgestellte Autos, die der Großteil der Bevölkerung sich längst nicht mehr leisten konnte. Wie würde Ash es ausdrücken? Der Oberste Dämonenrat hatte die größten Probleme der Menschheit gelöst und ihr die Erlösung gebracht: keine überfüllten Straßen, keine Überalterung der Gesellschaft mehr dank der verminderten Lebenserwartung und … Weltfrieden.
    Ja. Der Weltfrieden, der war besonders wichtig. Und die Parkplätze.
    Nach etwa zwanzig Minuten meldete sich die Wunde an ihrem Bauch mit einem ziehenden Schmerz, doch sie ignorierte die Unannehmlichkeiten. In absehbarer Zeit würde die Sonne aufgehen und die Ausgangssperre beginnen; bis dahin sollte sie zu Hause sein.
    Sie erreichte die Rothenbaumchaussee erst im Morgengrauen. Wie ein Palast stand das majestätische Gebäude des ehemaligen Fünf-Sterne-Hotels im Dämmerlicht vor ihr, mit seinen roten Markisen, die schon lange ihre Funktion verloren hatten und nur noch Dekorationszwecken dienten. Der goldene Schein der Strahler auf der weißen Fassade und den großen Fenstern löste bei ihr ein unvergleichliches Gefühl der Behaglichkeit aus.
    Sie trat unter das Vordach, in der rechten Hand – immer noch die Veilchen, die sie nachdenklich zwischen den Fingern zwirbelte. Der Türsteher in der bordeauxroten Uniform mit den Goldlitzen beeilte sich, ihr die gläserne Tür zu öffnen. Sein Gesicht verriet keine Regung, der kurze Blick, den er auf die Blumen warf, sprach dagegen Bände. Rasch verstaute sie die Blumen in einer der Taschen ihrer Aufseherjacke, bevor sie das elegante Vestibül betrat, zu dem die Welt der Autowracks und der Menschenschlangen vor den Tablettenausgaben keinen Zutritt hatte. Im sanften Licht unzähliger Halogenlampen schimmerten der glänzende Marmor des Bodens und das spiegelglatt polierte Edelholz in Gold-, Hellbraun- und
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