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Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde
Autoren: O Krouk
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je länger sie einsam in ihrem Bett lag, desto intensiver merkte sie, wie verloren sie sich ohne ihn fühlte.
    »Blödsinn«, murrte sie dem Piepton entgegen, mit dem sich seine Nachrichtenbox einschaltete. »Dämonen haben keine Freunde.«
    Dämonen sollten keine haben.
    Sie sollten auch keine Menschenfamilien retten, die auf der Abschussliste des Ordnungsamtes standen, und keine Befehle infrage stellen.
    Heul doch . Als du dich auf Freundschaft und Mitleid eingelassen hast, hätte dir klar sein sollen, dass es nicht dabei bleiben würde. Wenn schon Gefühle, dann das volle Programm.
    Einige Male hatte sie versucht, im Büro des Ordnungsamtes etwas Genaueres zu erfahren, doch dort hatte man ihr weiterhin mit dem Hinweis auf ›interne Untersuchungen‹ jede Auskunft verweigert, bis sie schließlich aufgegeben hatte. Das Leben ging außerhalb der Krankenhauswände weiter, und wenn sie Antworten haben wollte, musste mit dem Herumliegen und Nichtstun Schluss sein. Ein paar Tage, nachdem die Magieanwendungen sie mehr oder minder aufgepäppelt hatten, verlangte sie nach den Entlassungspapieren, steckte ihre Habseligkeiten ein und begab sich zum Ausgang.
    Die oberen Etagen des Krankenhauses waren Dämonen, Günstlingen der Nachtseite und denjenigen magischen Wesen vorbehalten, die sich eine Unterbringung in einem der Zimmer leisten konnten. Im Erdgeschoss veränderte sich das Antlitz der Einrichtung. Sobald sich die Türen des sprachgesteuerten Aufzugs, der sich stets verhörte, öffneten, musste Zarah schlucken. Vor einiger Zeit waren die Zimmerwände eingerissen worden, und nun erstreckte sich vor ihr eine große Halle, mit Kranken überfüllt. Schmutzige Vorhänge trennten einige Betten voneinander. Vor einem Ausgabefenster stand eine lange Schlange von Menschen, die auf ihre Tabletten warteten. Weder geflügelte Krankenschwestern noch andere magische Wesen befanden sich unter dem Personal – wer hier untergebracht war, durfte auf keine Magieanwendung zwecks Heilungsbeschleunigung hoffen. Doch egal, wie schlimm die Verhältnisse im Erdgeschoss sein mochten, diese Leute hatten wenigstens einen Anspruch auf medizinische Hilfe. Die Geächteten, so wie Alessas Familie, die im Verdacht standen, sich gegen die Nachtseite verschworen zu haben und Verbindungen zu den Engeln zu unterhalten, mussten sich selbst versorgen. Der Kodex untersagte es ihnen, auch nur einen Fuß in die öffentlichen Einrichtungen zu setzen.
    Mit Mühe bahnte Zarah sich einen Weg zwischen den zahlreichen Liegen hindurch, wobei sie es tunlichst vermied, zu genau hinzuschauen. An vielen Betten saßen Angehörige oder Freunde der Kranken. Denn Menschen waren schwach. Nicht in der Lage, allein zurechtzukommen, brauchten sie stets jemanden, der ihnen das Händchen hielt. Oder ein paar Blumen hinterließ, als würden die irgendwie helfen. Hier und da fanden sich auch vermeintliche Köstlichkeiten, die sich im Alltag normalerweise kein einfacher Mensch leisten konnte: braun gesprenkelte Bananen und schrumpelige Orangen. Ein Mann küsste gerade eine Frau auf die Stirn, die unter ihrem Laken schwitzte und zitterte, und stellte einen Herbststrauß auf die Fensterbank neben dem Bett.
    Zarah blieb abrupt stehen. Starrte auf die lilafarbenen Blüten, die ihr entgegenleuchteten, und erinnerte sich an die erschlafften Veilchen, die sie in ihrem Nachtschränkchen gefunden hatte.
    Ich bin aber auch selten dämlich. Wirklich selten dämlich!
    Abrupt drehte sie sich um, eilte den Korridor entlang, die Treppe hoch, und endlich stand sie in der Tür zu ihrem Krankenzimmer. Leise schloss sie diese hinter sich, kniete sich hin und spähte unter das Schränkchen.
    Sie waren noch da.
    Ihre Veilchen.
    Ehrfürchtig hob sie die Blumen auf und strich mit den Fingerspitzen über den winzigen Strauß. »Wie bist du in meine Schublade gekommen? Mal sehen, ob ich jemanden finde, der mir das sagen kann.«
    Im Aufenthaltsraum saßen ein paar Dämonenkrankenschwestern und ein Arzt. Eine der Frauen erhob sich, ihre gelben Augen blitzten auf, die senkrechten Pupillen verengten sich. »Ist mit den Entlassungspapieren etwas nicht in Ordnung?«
    Der Arzt schaute von dem Pad auf. Derselbe Arzt, der ihr mit dem Flatterinchen den ersten Besuch abgestattet hatte. Sein Blick blieb an den erschlafften Blumen hängen, bis er seufzte, beinahe unmerklich den Kopf schüttelte und sich erneut dem Pad widmete.
    Sie ging auf ihn zu und knallte ihm die Pflanzen auf seinen Bildschirm, wo der zerdrückte
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