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Taeter wie wir

Taeter wie wir

Titel: Taeter wie wir
Autoren: Kim Fupz Aakeson
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Niko. »Und deshalb redet er nicht so gern drüber.«
    Martins Eltern veranstalteten eine Party für ihn. Wir waren nicht dabei, es kamen die Familie undJakobs Freunde, aber Martin erzählte uns, dass sein Vater eine Rede für Jakob gehalten hatte, er hatte gesagt, dass niemand mehr etwas gegen seinen Sohn sagen könnte. Er hätte sein Leben für Dänemark aufs Spiel gesetzt.
    »Aber er hat sich besoffen und geheult«, sagte Martin.
    »Dein Vater?«
    »Jakob. Er heult manchmal auch nachts. Ich kann das durch die Wand hören.«
    »Er hat bestimmt richtig viele erschossen«, meinte Niko und Benji sagte, er solle damit aufhören, er wisse doch sowieso nichts davon.
    Jakob fing nicht wieder an zu arbeiten, er wollte auch nicht mit seinem Vater in den Schützenverein gehen und dort schießen, wahrscheinlich ging er zu einem Psychologen. Martins Vater war sauer deshalb.
    »Er ist der Meinung, Jakob solle sich zusammenreißen, sich einen Job suchen und endlich weiterkommen, er findet es nicht gesund, so herumzugammeln.«
    Und dann ging Jakob eines Tages mit ihren Hunden spazieren, mit Tyr und Mars. Er nahm sie mit in den Wald und da erschoss er beide. Mit seiner Vereinspistole. Sie erzählten, dass er mit beiden Tieren im Schoß dasaß, als sie ihn fanden. Dass er sie zu streicheln schien. Schon merkwürdig, nachdemer sie selbst erschossen hatte. Vielleicht bereute er es ja. Auf jeden Fall kam er in die psychiatrische Abteilung von Vordingborg.
    Martins Mutter und Nana besuchten ihn häufiger, Martin war auch ein paarmal dort.
    »Wie sieht es dort aus?«, fragten wir, denn so eine Anstalt hatten wir noch nie gesehen.
    »Es sieht eher aus wie ein Jugendclub oder so etwas in der Art«, sagte Martin.
    »Und was sagt er? Warum hat er das getan?«
    »Er redet nicht besonders viel.«
    Martins Vater hatte es schon nicht leicht, darüber hinwegzukommen. Er hatte die beiden Hunde wirklich geliebt und viel Zeit darauf verwendet, sie zu trainieren. Eines Abends besoff er sich und kam dann in Martins Zimmer und erklärte ihm, dass er der einzige Sohn sei, den er noch habe.
    »Du bist mein einziger Sohn«, sagte er. Und weinte.
    »So etwas habe ich noch nie erlebt«, sagte Martin. Er war blau, als er uns das erzählte, es war ja nicht seine Art, alles Mögliche einfach auszuplaudern.
    Aber später besuchte der Vater Jakob dennoch, trotz allem waren es nur Hunde gewesen und man kann sich immer neue Hunde besorgen, aber keine neuen Söhne.Henks Vater wurde krank. Das war im Frühling, in dem Frühling vor dem letzten Sommer. Er hatte wohl Krebs, einen von der merkwürdigen Sorte.
    »Myelomatose«, sagte Henk, nicht einmal Benji wusste, was das war. Aber auf jeden Fall war das wohl etwas, das man nicht heilen konnte, aber wenn man Glück hatte, konnte man zumindest dafür sorgen, dass es nicht schlimmer wurde.
    Sie kriegten wahnsinnig viele Blumen von allen möglichen Leuten, als seine Arbeitskollegen, die Freunde und ihre Familie das erfuhren, sie wurden geradezu überschüttet mit Blumen.
    »Wir ertrinken in Blumen«, sagte Henk. »Meine Mutter stellt sie schon in Eimer, wir haben keine Vasen mehr.«
    Henks Vater bekam Chemo, das macht man ja bei Krebs. Er bekam mehrere Male Chemo und lag im Krankenhaus, und Henk fiel es schwer, ihn zu besuchen.
    »Er sieht nicht mehr aus wie früher«, sagte er.
    »Die tun alles, was sie können«, sagten wir über die Ärzte, als ob wir etwas von Ärzten verstünden.
    »Er hat keine Haare mehr und er hat hundert Kilo verloren«, das erzählte Henk. »Er sieht aus wie eine Leiche, er hat nicht einmal mehr Augenbrauen.«
    Der Vater kam nach Hause und lag im Schlafzimmer, und wir trafen uns lieber woanders, es war nicht so wahnsinnig kalt, da fuhren wir einfach ein bisschen herum. Aber nach einer Weile sagte Henk, wir sollten zu ihm nach Hause kommen, wie wir es immer getan hatten.
    »Ist schon okay«, sagten wir. »Es ist ja nicht mehr so kalt.«
    »Meine Mutter möchte das aber«, erklärte Henk, »sie meint, dass alles so sein soll wie es immer war, sie meint, dass er bald wieder gesund wird.«
    »Aber das ist doch prima, Henk.« Wir hatten nicht die Riesenlust, seinen Vater zu sehen.
    »Meine Mutter sagt, ihr sollt kommen«, wiederholte Henk, »sie weint und sagt, dass alles wieder normal sein soll.«
    Also mussten wir das tun. Wir saßen unten in Henks Zimmer und hatten keine Ahnung, worüber wir reden sollten. Wir dachten alle an seinen Vater, der über uns im Schlafzimmer lag und hundert Kilo
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