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Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles
Autoren: Andreas Pittler
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Reden auf ein konkret zu erwartendes Ereignis bezogen, sondern eher eine chiliastische Heilserwartung in Form eines deutschen Einmarsches in der näheren Zukunft zum Ausdruck brachten.“ Bronstein war stolz auf seine Formulierung.
    „Habt ihr die noch?“
    Bronstein hielt die Hand auf die Muschel und sah Cerny an: „Sind Kotzler und Murer schon freigelassen worden?“
    „Jeden Moment“, entgegnete Cerny, ohne von seinem Bericht aufzusehen.
    „Dann ruf dort noch einmal an und sag, die beiden sollen beschattet werden.“ Dann nahm Bronstein wieder die Hand vom Hörer: „Ich habe eben ihre Beschattung angeordnet.“
    „Sehr gut, wir werden uns da akkordieren.“
    „Und noch etwas“, setzte Bronstein nach, „ich rufe im Bundeskanzleramt an und klopfe dort einmal auf den Busch. Dann melde ich mich wieder und berichte Ihnen, was ich in Erfahrung bringen konnte.“
    Bronstein hörte Marek am anderen Ende der Leitung lachen: „Sehen Sie, da hätte ich selbst auch draufkommen können. Danke für die Hilfe. Aber sind Sie nicht eingespannt mit Ihrem Fall?“
    „Den hat der Kollege Cerny schon gelöst. Er schreibt gerade den Bericht, ich stehe also ganz zu Ihrer Verfügung.“
    „Hervorragend. Vielen Dank, wir bleiben in Verbindung.“
    Als Nächstes wählte Bronstein die Nummer des Kanzleramtes und ließ sich mit der dortigen Wachstube verbinden. Als Erstes stellte er die Frage, wann der Ministerrat beginne.
    „Gar nicht.“
    „Was heißt ,gar nicht‘?“
    „Gar nicht heißt, dass er auf morgen verschoben wurde. Beginn elf Uhr.“
    „Aha, und warum?“ Bronstein vermutete, dass sich die Akti-vitäten der Nationalsozialisten schon bis ins Kanzleramt durchgesprochen hatten, weshalb dort entsprechend reagiert worden war.
    „Irgendeine Terminkollision. Mehr weiß ich auch nicht. Heute ist jedenfalls niemand da.“
    Bronstein bedankte sich und hängte ein. Dann rief er Marek noch einmal an.
    „Anscheinend blinder Alarm. Dort findet gar keine Regierungssitzung statt. Wahrscheinlich hat sich dieser Hudl nur wichtiggemacht. Irgendwelche Neuigkeiten von Ihrem Mann?“
    „Nein. Der hat sich seit gestern nicht mehr bei mir gemeldet. Und bei seinem Stammwirten ist er auch nicht. Vielleicht hat er kalte Füße bekommen …“
    „Oder die eigenen Leute haben ihn beiseite geschafft“, Bronstein fiel der Fall Zimmer wieder ein.
    „Wie auch immer“, gab sich Marek gelassen, „fürs Erste können wir, glaube ich, durchatmen. Wo keine Regierung, da auch kein Attentat.“ „Das ist wahr“, entgegnete Bronstein, „aber wir sollten wachsam bleiben. Ich halte die Überwachung vorerst aufrecht, und Ihre Leute lösen meine Leute beizeiten ab, einverstanden?“
    „Ja, das klingt gut. Wir bleiben in Verbindung.“
    Bronstein legte den Hörer wieder auf die Gabel und atmete tief durch. Anscheinend war das Vaterland doch nicht in Gefahr, und da der Fall Demand auch endlich gelöst war, konnte er sich nun endlich ein wenig Ruhe gönnen. Und die hatte er bitter nötig, denn sein alter Körper war nach dem Angriff Murers noch lange nicht wieder in Normalform.
    „Wie steht’s mit dem Bericht?“ Er sah Cerny fragend an.
    „In einer halben Stunde bin ich fertig. Wenn du willst, können wir ihn dann beim Essen durchgehen, und wenn’s passt, zeichnest du ihn ab, und wir leiten ihn weiter.“
    „Ja, das ist keine schlechte Idee“, nickte Bronstein, „Seydel wird froh sein, dass die ganze Geschichte ein vertrackter Eifersuchtsmord ist.“
    „Ja“, ergänzte Cerny lachend, „und erst der Steinhäusl!“
    „Der sowieso!“
    Während Cerny noch sein Resümee schrieb, begann Bronstein schon, den Akt zu lesen, und so gingen die beiden beim Rindsschnitzel mit Saft nur noch letzte Details durch. Zurück im Büro, unterfertigten sie ihren Bericht mit schwungvollen Unterschriften, dann klingelten sie nach dem Bürodiener und trugen ihm auf, das Original zum Präsidenten, die Durchschriften aber zum Vizepräsidenten und zum Abteilungsleiter zu befördern. Sie sahen zuerst dem Bediensteten nach, der eilend in den Gängen entschwand, und dann einander in die Augen. Mit einem Nicken bestätigten sie sich, diese wichtige Sache zu einem Abschluss gebracht zu haben.
    Bronstein zündete sich eine „Donau“ an: „Es war ein langer Tag, auch wenn es gerade einmal zwei Uhr vorbei ist. Ich denke, wir haben das Vaterland gerettet und unseren Fall gelöst. Es ist daher nur recht und billig, wenn wir uns den Rest des Tages freinehmen. Cerny,
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