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Supernova

Supernova

Titel: Supernova
Autoren: Charles Stross
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Schichten und sprengte sie auseinander. Als der sterbende
Stern einen Impuls von Röntgenstrahlen aufflammen ließ,
der so grell war, als explodierten auf einen Schlag Abermilliarden
von Wasserstoffbomben, drang der Neutrino-Impuls mit
Lichtgeschwindigkeit nach außen vor.
    Acht Minuten später – etwa eine Minute, nachdem ihr das
Flackern der Monitore aufgefallen war – runzelte die
Meteorologin die Stirn. Es kam ihr so vor, als kröche ein
heißer, prickelnder Strom über ihre Haut, die zu jucken
anfing; aus unerfindlichen Gründen schoben sich purpurrote
Meteoren in ihr Blickfeld. Der Bildschirm vor ihr flackerte noch
einmal auf und verlosch schließlich. Sie atmete tief ein, nahm
den scharfen Geruch von Ozon wahr, blickte sich um, schüttelte
den Kopf, um den plötzlichen Nebel loszuwerden, und merkte, wie
ihre Kollegin sie anstarrte und blinzelte. »He, ich fühle
mich, als wäre gerade jemand über mein Grab
gegangen…«
    Nachdem die Lampen noch einmal aufgeflackert waren, verloschen
sie; allerdings konnte sie mühelos sehen, da die Luft
gespenstisch glühte. Durch das kleine Oberlicht fielen
messerscharfe Schatten auf den Fußboden. Gleich darauf begann
der Teil des Bodens, der direkt dem Licht vom Fenster ausgesetzt war,
zu schwelen. Vage wurde der Meteorologin bewusst, dass sie dieses
Haus nun wohl doch nicht kaufen würde; sie würde auch nicht
ihrem Freund davon erzählen können, würde ihn nie mehr
sehen, genauso wenig wie ihre Eltern, ihre Schwester oder sonst etwas
– bis auf das schwelende, strahlend helle Stück
Fußboden, das langsam wuchs, während der Fensterrahmen
verglühte.
    Aber ihr wurde eine winzige Gnade zuteil: Nur Sekunden später
erreichte die obere Atmosphäre, die der vorbeiziehende
Strahlenimpuls in glühendes Plasma verwandelt hatte, die
Tropopause. Eine halbe Minute später legte die erste Schockwelle
das Gebäude, in dem sie sich befand, in Schutt und Asche. Sie
starb nicht allein. Trotz der tödlichen Dosis von
Neutrino-Strahlen, die alle Bewohner des Planeten abbekommen hatten,
musste niemand die Qualen der Verstrahlung erleiden, denn keiner
überlebte den Aufgang der eisernen Sonne so lange.

 
    Einschlag: T plus 1392 Tage, 12 Stunden, 16 Minuten
     
    Wednesday, deren Herz vor Angst heftig klopfte, versteckte sich
unter dem Schreibtisch und drückte den kompakten Behälter
fest an sich. Als sie den Körper des Zollbeamten in der dunklen
Küche entdeckt hatte, war ihr gleich klar geworden, dass er tot
sein musste. Ermordet, wie die handgeschriebenen Instruktionen in der
Aktentasche nahe legten. Und jetzt wollte das Ding, das den Mord
vollbracht hatte, auch sie schnappen. Wenn sie doch nur…
    Auf dem Kunststoffboden war das kratzende Geräusch tappender
Pfoten zu hören. Ich will nicht hier sein, betete sie,
während sich ihre Finger um den von Schweiß verschmierten
Behälter krampften. Ich bin es gar nicht, der all das
passiert! Siekonnte den Höllenhund da draußen sehen,
stellte ihn sich mit ihrem inneren Auge vor: Kiefer wie
Sägeblätter aus Diamanten, weit auseinander stehende Augen,
in denen die Strahlen des Lidarimpulses funkelten. Sie konnte auch
die kleine, heimtückische Waffe sehen, die in den
ausgehöhlten Schädel implantiert war; die dort
eingebetteten Computer steuerten das Gehirn und setzten die eigenen
Instinkte des Dobermanns außer Kraft. Faustgroße,
einander überlappende kahle Stellen, eine Haut voller
Schuppenflechten, die sich über einem Panzer aus Diamantmaschen
verdickte. Das Tier konnte ihre Furcht riechen.
    Als sie die Papiere im Tresorraum gelesen hatte, war ihr schnell
aufgegangen, wie wichtig sie sein mussten. Um wegzukommen, hatte sie
die Tür halb aufgestoßen und gerade noch zuziehen
können, als der Hund zähnefletschend auf sie zugesprungen
war. Während sie ins Netz der Rohre abgetaucht war, hatte sich
oben an den Türangeln beißender Rauch gekräuselt. Wie
eine schwarze Spinne hatte sie sich in die Achse mit den
Diensträumen geflüchtet, war durch den mit Druckausgleich
versehenen Frachttunnel und die Schatten des fast leeren Docks
gekrochen und hatte weinend nach Luft geschnappt. Die ganze Zeit
über hatte sie hinter sich das Kratzen der mit Diamanten
beschlagenen Pfoten vernommen, die über den Fußboden
getappt waren. Ich existiere gar nicht, du kannst mich nicht
riechen!
    Und Hermann hatte sich – wie so oft, wenn sie ihn am
dringendsten brauchte – nicht bei ihr gemeldet.
    Doch der Hund konnte sie riechen – zumindest
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