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Superdaddy: Roman (German Edition)

Superdaddy: Roman (German Edition)

Titel: Superdaddy: Roman (German Edition)
Autoren: Sören Sieg
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gewünscht hätte, weil sie irgendwo in Rellingen groß geworden war. Aber das Schicksal würde die arme Ines mit einem ganz anderen Kind strafen: mit einem Jungen, der Tag und Nacht Gameboy spielte, vom Gymnasium flog und mit seinen türkischen Freunden zum Kickboxen ging.
    Mein fünftes Glas. Nach dem vierten hatte ich plötzlich Durchfall bekommen und eine Viertelstunde auf dem Klo verbracht. Jetzt war es Viertel vor drei, und ich dachte über dieses verdammte Rollenspiel nach. Was sollte das bitte sein? Wie konnte man als erwachsener Mensch eine Szene spielen, die auf Sex hinauslief? Machten Charlotte und Bernhard etwa auch gerade so etwas? War ich der Einzige in diesem Universum, der es noch nie probiert hatte? Wahrscheinlich spielte Bernhard den Macho:
    Unidirektor (herablassend): »Frau Kirschbaum, Ihr Berufungsvortrag war miserabel. Eine Ansammlung von Klischees ohne jeden wissenschaftlichen Wert.«
    Charlotte (entsetzt): »Aber die Grundthese war doch völlig neu!«
    Unidirektor (gönnerhaft): »Vom Niveau her noch unterhalb einer Proseminararbeit.«
    Charlotte (hilflos): »Aber daran hab ich drei Jahre gearbeitet … mein DFG-Projekt! Was mach ich denn jetzt bloß?«
    Unidirektor (schreitet langsam um den Tisch herum, plötzlich versöhnlich): »Sie haben Glück.«
    Charlotte (versteht nichts): »Wieso?«
    Unidirektor (lächelt über seine eigene Pointe): »Die anderen waren noch schlechter als Sie.«
    Charlotte (schöpft Hoffnung): »Also bekomme ich die Stelle?«
    Unidirektor (kühl): »Vielleicht. Es hängt von mir ab. Die anderen haben mir freie Hand gegeben, die Entscheidung zu treffen.«
    Charlotte (ängstlich): »Und? Äh … (sie blickt ihn unschuldig an) nehmen Sie mich?«
    Unidirektor (grinst diabolisch): »Was meinst du mit ›nehmen‹, mein Schätzchen?«
    Charlotte (verwirrt): »Äh, ich verstehe nicht … sind wir per Du?«
    Unidirektor (nähert sich ihr langsam, streicht mit dem Finger über ihre Wange): »Du hast hübsche Titten.«
    Charlotte (wie erstarrt): »Aber … Sie wollen doch nicht …«
    Ich hätte Erotikfilme drehen sollen. Stattdessen blickte ich auf meine Uhr und halluzinierte. Wieso Bernhard? Gut, er war 1,95 und damit fünfzehn Zentimeter größer als ich. Aber er bewegte sich so ungelenk und tapsig wie ein Akne-Teenager auf seiner ersten Engtanzparty. Er konnte überhaupt nicht damit umgehen, dass er so lang war. Er füllte seinen Körper nicht annähernd aus. Und akademisch stand er drei Etagen unter Charlotte. Er würde nie Professor werden. Er musste hoffen, später als ihr Assistent die Gruppeninterviews transkribieren zu dürfen, die sie mit autoritären Ost-Vätern geführt hatte. Und transkribieren hieß, jedes halb-Äh, jedes Schnaufen und jedes gesächselte Guggemada exakt zu protokollieren. Wenn sie Bernhard wirklich vögelte, wäre das sexueller Missbrauch und Nötigung eines Schutzbefohlenen. Das konnte nicht sein, so war sie nicht, sie sollte mir sagen, dass sie nicht so war. Würde sie denn wirklich für diesen Loser unseren Sex aufs Spiel setzen? Hatte sie es nicht immer endsexy gefunden, mit einem Working-Class-Boy ins Bett zu gehen? Ich ging ja auch lieber mit der jüngsten Tochter der Kirschbaumdynastie ins Bett als mit einer Friseuse. Aber war das nicht unser gemeinsamer, grandioser Irrtum? Punkt fünf für unsere Paartherapie. Wieso eigentlich nicht Punkt sechs? Haha. Sex. Wortspiel. Ich sollte immer so lange aufbleiben, da kamen die besten Einfälle. Wo war mein Notizbuch?
    Ich musste mein Leben ändern. Es war lächerlich, eifersüchtig auf Bernhard zu sein. Bernhard war nicht mein Problem, ich war das Problem. Ich war 38. Seit sechzehn Jahren versuchte ich mich als Komiker. Ich war gut. Manchmal sogar brillant. Aber rasend unbekannt. Und das würde ich auch bleiben. Charlotte hatte dagegen schon im ersten Semester gewusst, dass sie mit 36 die Professur bekommen würde, um die sie sich gerade bewarb. Dass die Berufungskommission sie nahm, stand für sie überhaupt nicht in Frage. Deshalb gab sie auch von jeher Geld aus, als wäre ich CEO bei Siemens. Punkt sieben für unsere Paartherapie. Das Schlimme war übrigens nicht, dass ich keinen Erfolg hatte. Und auch nicht, dass andere Erfolg hatten. Das konnte ich alles verkraften. Das Schlimme war, dass vor einem Jahr in der Künstlergarderobe einer Mixed-Show ein neuer Kollege aufgetaucht war: Axel Hubi. Genauso erfolglos und unbekannt wie ich. Und im Gegensatz zu mir auch noch unbegabt. Das einzig
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