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Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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für die Zukunft aller in Europa. Wir haben erst seit ein paar Jahren die Möglichkeit, östlich von Oder und Neiße in bislang unveröffentlichte Akten einzusehen und bislang unbekanntes Filmmaterial auszuwerten. Zwar fanden wir kaum Bilder von dem Leid der Menschen, die gequält, gepeinigt und getötet wurden. Es gibt keine Filme über jene Deutschen, die ins Innere der Sowjetunion verschleppt wurden. Keine Filme von den Todeszügen, in denen Leichen waggonweise gestapelt wurden. Keine Bilder, die sich in das kollektive Bewusstsein eingebrannt haben. Doch was es gibt, ist die Erinnerung der Menschen, die all das erlebt haben.
    Flucht und Vertreibung hatten nicht erst begonnen, als am 20. August 1944 ein Spähtrupp der Roten Armee östlich von Schillfelde über den Grenzfluss Scheschuppe setzte und der Zweite Weltkrieg Ostpreußen erreichte. Fünf Jahre vorher waren bereits die ersten Polen aus Posen und Westpreußen von Hitlers Helfern vertrieben worden. Drei Jahre vorher hatten bereits Himmlers Schergen von Finnland bis zum Schwarzen Meer eine Blutspur von millionenfachem Mord gezogen, um den Wahn vom Lebensraum im Osten zu verwirklichen. All das schlug nun zurück auf Schlesier und Sudetendeutsche, Ostpreußen und Pommern – kostete dreizehn Millionen Menschen die Heimat und darüber hinaus wohl bis zu zwei Millionen Menschen das Leben.
    Es war die »Stunde der Vergeltung für die Qualen und Leiden, für die verbrannten Dörfer und zerstörten Städte, die Kirchen und Schulen, für die Verhaftungen, Lager und Erschießungen, für Auschwitz, Majdanek, Treblinka, für die Ausrottung des Ghettos« – so das Manifest des »Nationalen Polnischen Befreiungskommitees« vom Juli 1944. In jenem Juli 1944 hätte das Geschehen wohl zum letzten Mal noch abgewendet werden können. Wenn im Rastenburger Stadtwald das Attentat auf Hitler gelungen wäre – alles hätte anders kommen können. Dann wäre, ob durch eine provisorische Regierung Goerdeler oder durch ein Militärregime, der Krieg beendet worden – so oder so. Die Abtrennung Ostdeutschlands und die Vertreibung seiner Menschen hätten nicht verhindert werden können. Beides stand als alliiertes Kriegsziel ja längst fest. Doch dann wäre es vielleicht doch eine »Umsiedlung« geworden, halbwegs geordnet, eher im Sommer, nicht im Winter und nicht in überstürzter Flucht vor der Rache der Roten Armee. Die Rache war furchtbar. Angestachelt von den mörderischen Parolen eines Ilja Ehrenburg übten die Sowjets nun blutige Vergeltung an der deutschen Zivilbevölkerung. Von Stalingrad bis an die deutschen Grenzen waren sie den grausamen Spuren von Hitlers Vernichtungsfeldzug gefolgt. Nun zogen sie plündernd und mordend durch die deutschen Städte und Dörfer. Die Bilder jener Tage waren unbeschreiblich. Von Panzern überrollte Trecks auf vielen Straßen, ermordete Männer, vergewaltigte Frauen, getötete Kinder, erfrorene Babys – Augenzeugen, die das Grauen überlebten, werden diese Bilder nie vergessen können. Es waren keine Täter, an denen sich die Wut der Sieger austobte – es waren Wehrlose. Vor allem Frauen, Kinder, alte Menschen.
    Vieles wäre der Zivilbevölkerung erspart geblieben, hätte man sie rechtzeitig evakuiert. Doch die Menschen durften ihre Dörfer und Städte nicht verlassen. Schließlich war es zu spät für eine sichere Rettung. Als die Rote Armee binnen weniger Tage die dünnen deutschen Verteidigungslinien an der Grenze zu Ostpreußen durchbrach und bei Elbing an die Ostseeküste vorstieß, saßen zweieinhalb Millionen Menschen in der Falle. So sammelten sich überall in aller Eile Trecks, die zu den Häfen strebten. Zu Fuß, mit Schlitten oder Pferdewagen versuchten die angstvollen Menschen, ein rettendes Schiff zu erreichen. Doch vor den scheinbar sicheren Häfen lag das Haff, eine bis zu zwanzig Kilometer breite, siebzig Kilometer lange Ostseebucht, die durch eine fünfzig Kilometer lange Landzunge, die Nehrung, von der offenen See getrennt ist. Schon die Überquerung des zugefrorenen Haffs war für viele ein Wettlauf mit dem Tod. In der dunklen Eiswüste kamen sie vom festen Weg ab, verirrten sich und brachen ein.
    Durch den ganzen deutschen Osten zog sich eine Spur des Grauens: Kinderwagen mit erfrorenen Säuglingen standen am Straßenrand. Kadaver verhungerten Viehs säumten die Alleen – und immer wieder wurden Trecks von Tieffliegern zerschossen, von Panzern überrollt. Der britische Premier Winston Churchill schrieb am 1. Februar 1945
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