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Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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an seine Ehefrau: »Dir darf ich bekennen, dass die Berichte über die Massen deutscher Frauen und Kinder, die auf den Straßen in vierzig Meilen langen Kolonnen vor den vordringenden Armeen nach Westen fliehen, mein Herz mit Trauer erfüllen.«
    Was die Menschen dennoch antrieb, war die pure Angst. Viele wussten nicht einmal genau, wohin. Sie wussten nur: Sie mussten fort. Denn im Rücken der Trecks brannte die Heimat.
    Wer in seinem Dorf noch ausgeharrt oder sich zu spät zur Flucht entschlossen hatte, erlebte das Grauen oft in noch schlimmerer Form: Vergewaltigungen, Morde, hunderttausendfach. Ein sowjetischer Offizier schrieb in sein Tagebuch: »Vor unseren Panzern hat ein Soldat eine deutsche Frau und ihren Säugling erschossen, weil sie sich weigerte, ihm zu Willen zu sein. Es ist fürchterlich. Aber die Deutschen haben bei uns massenhaft noch viel Schlimmeres verbrochen.«
    Doch inmitten der schlimmsten Exzesse unmenschlicher Brutalität finden sich auch Belege von Humanität. Lew Kopelew, der spätere Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels, landete für viele Jahre in Stalins Straflagern, weil er versucht hatte, deutsche Zivilisten vor der Mordgier seiner Kameraden zu retten. Ebenso erging es Alexander Solschenizyn.
    Im Gedächtnis haften bleiben den Überlebenden nicht nur die Gräuel der Eroberer, sondern auch die Perversion der NS-Amtswalter: ein Erich Koch in Ostpreußen, der die Bevölkerung zum Ausharren zwang, während für ihn selbst zwei Schiffe zur Flucht über die Ostsee bereit lagen; oder ein anonymer Polizist in Pommern, der einer jungen Frau befahl, ihren Schuhladen bei Todesstrafe offen zu halten. Eine Stunde später rollten die Sowjetpanzer vor. Die Pommerin Libussa Fritz-Osler erinnert sich, dass Flüchtlinge, die ohne schriftliche »Erlaubnis« unterwegs waren, umgehend erschossen wurden.
    Wer in Ostpreußen und Pommern die brennende Heimat hinter sich ließ, wer die Hafenstädte Swinemünde, Danzig oder Pillau lebend erreichte und das Glück besaß, auf eines der übervollen Schiffe zu gelangen, die nun täglich Richtung Westen ablegten, glaubte sich gerettet. Doch der Leidensweg der Menschen war noch nicht zu Ende. Unter den vielen traurigen Geschichten jener Tage ragt eine besonders hervor – der Untergang der »Wilhelm Gustloff«. Für dieses Buch ist es gelungen, nicht nur Dutzende von Überlebenden zu befragen, sondern auch zwei Männer der Besatzung jenes U-Boots, das die »Gustloff« damals torpedierte. 9000 Menschen kamen um. Über die Hälfte von ihnen waren Kinder. Es war, bedingt allein durch die Zahl der Opfer, wohl die größte Katastrophe in der Geschichte der Seefahrt.
    Während in Ostpreußen und auf der Ostsee die Menschen um ihr Überleben kämpften, vollzog sich in Schlesien eine Tragödie anderer Art. Hier hatte sich Gauleiter Hanke – wie viele seiner Amtskollegen – allen Forderungen widersetzt, die Bevölkerung rechtzeitig zu evakuieren. Stattdessen wurde die schlesische Hauptstadt Breslau zur »Festung« erklärt. Starke russische Kräfte sollten gebunden werden, um den Vormarsch der Roten Armee auf Berlin zu verzögern. Es war das Todesurteil für die Stadt.
    Und wieder traf die überstürzte Flucht vor allem Frauen und Kinder. Sprichwörtlich wurde der »Todesmarsch der Breslauer Mütter«, die mit ihren Kindern im eisigen Schneesturm bei minus zwanzig Grad zu Fuß nach Westen zogen. 18 000 Menschen starben dabei – vor allem Kinder. In den kommenden zehn Wochen wurden in Breslau zehntausende von Menschen in den Tod getrieben – nicht nur durch Feindbeschuss, sondern auch durch eigenen Fanatismus. Auch hier waren es vor allem Einheiten der Hitlerjugend, die am längsten und heftigsten Widerstand leisteten. Als eine der schönsten deutschen Städte in einem Meer von Blut und Tränen unterging, verschwand ihr Gauleiter Hanke mit einem »Fieseler Storch«.
    Während sich die »Festung« Breslau in einem sinnlosen Kampf aufrieb, wurden in den schon eroberten Gebieten seit dem März 1945 vollendete Tatsachen geschaffen: Im Vorgriff auf die Westverschiebung Polens, die auf der Potsdamer Konferenz im Juli 1945 beschlossen werden sollte, kamen Pommern, Schlesien und Masuren unter polnische Verwaltung. Danzig folgte wenig später. Die Deutschen, die noch in diesen Gebieten lebten, mussten ab Ende Juni ihre Heimat verlassen. Zum Teil wurden sie vor ihrer Vertreibung in Lagern zusammengepfercht. Oft waren die Internierten dort wehrlos der Willkür der Wachen
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