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Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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ausgesetzt.
    Andere Deutsche schickte man ohne Vorwarnung auf den Weg. Innerhalb von zehn Minuten hatten sie ihre Sachen zu packen. Danach waren sie wochenlang auf der Landstraße. »Es war ein Elendszug. Wir zogen Kinderwagen, Leiterwagen, Schiebkarren, Sportwagen, man sah die unmöglichsten Gefährte. Von morgens bis abends um sieben durfte man auf der Landstraße bleiben, dann schlief man entweder im Wald, in schmutzigen Scheunen und leeren Wohnungen«, schildert eine Frau aus Sorau die Strapazen. Für sie endete der Weg in Cottbus, in der sowjetisch-besetzten Zone.
    Cottbus war wie die anderen »Grenzstädte« Stettin, Frankfurt an der Oder und Görlitz im Sommer 1945 bis zum Bersten überfüllt. Neben den Einheimischen kämpften auch diejenigen ums Überleben, die hofften, in den nächsten Wochen und Monaten in ihre Heimat im Osten zurückkehren zu können. Viele Wohnungen waren zerstört, Lebensmittel kaum aufzutreiben. Typhus und andere Krankheiten grassierten.
    In der Tschechoslowakei erging es den Deutschen nicht besser: Als sich die Tschechen am 5. Mai 1945 in Prag gegen die deutsche Besatzung erhoben, unterschieden sie nicht zwischen Militär, Beamten und friedlichen Bürgern. Wen die Aufständischen als Deutschen erkannten, der wurde mitgenommen, unter Stockhieben auf Lastwagen getrieben und in Schulen, Kinos oder Kasernen interniert. Dann brachte man die Deutschen als Zwangsarbeiter aufs Land oder in eines der Lager. Dort hatten sie auf ihre Ausweisung zu warten. Ob es sich bei den Aufgegriffenen um NS-Funktionäre handelte, um Flüchtlinge aus Schlesien oder um Menschen, die schon seit Generationen in Prag lebten, war einerlei.
    Die Wut auf die Deutschen mündete in gezielte Diskriminierung: Eine weiße oder gelbe Armbinde mit dem Buchstaben »N« für »Němec«, Deutscher, wurde Pflicht. Die Binde kennzeichnete, wer öffentliche Verkehrsmittel nicht benutzen durfte oder die Sperrstunde einzuhalten hatte. Die Ausgrenzung, die wenige Jahre zuvor den Juden widerfahren war, fiel auf die Deutschen zurück. Welchen Hass die ehemaligen Besatzer auf sich zogen, zeigte sich in Aussig. Als dort am 31. Juli 1945 ein Munitionslager explodierte, vermutete man einen deutschen Sabotageakt. Eine halbe Stunde später griff eine aufgebrachte Menge Deutsche an, die über eine Brücke von der Arbeit heimkehren wollten. Über 200 Menschen verloren ihr Leben.
    In Brünn, wie auch an anderen Orten, ließ man den Deutschen Ende Mai nur wenig Zeit, zusammenzupacken, bevor sie nach Westen getrieben wurden. »Wir durften uns nicht setzen, durften uns nicht ausruhen, keinen Schluck Wasser trinken, obwohl es fürchterlich heiß war. Hier hat eine Mutter nach ihrem Kind geschrien, dort haben Kinder nach der Mutter geschrien. Es war furchtbar.« Zu den Strapazen des tagelangen Fußmarschs gesellten sich der allgegenwärtige Nahrungsmangel und die wüsten Beschimpfungen und Schläge durch aufgebrachte Tschechen am Wegrand. Wer nicht mehr weiterkonnte, wurde liegen gelassen oder erschossen. Unterwegs wurden die Flüchtlinge wiederholt überfallen, die Frauen mehrfach vergewaltigt. Bei ihrer Ankunft im Westen besaßen die Vertriebenen oft nur mehr das, was sie am Leib trugen.
    Besonders ergreifend ist das Schicksal all der Menschen, die in jenen Tagen zur Zwangsarbeit in das Innere der Sowjetunion verschleppt wurden. Mindestens 530 000 Deutsche wurden in den letzten Kriegs- und ersten Friedenswochen von Sonderkommandos des sowjetischen Geheimdiensts gefangen genommen und deportiert. Andere Quellen sprechen von mehr als einer Million zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppten deutschen Zivilisten. Ohne Erklärung, oft völlig willkürlich wurden sie abtransportiert. Mitunter wurden alle verfügbaren Deutschen zwischen dreizehn und 65 Jahren, in Einzelfällen sogar kleine Kinder, deportiert.
    Für sie war eine eigene Organisation geschaffen worden, die GUPVI. Diese »Hauptverwaltung für Angelegenheiten der Kriegsgefangenen und Internierten« funktionierte nach demselben Schema wie der Archipel GULAG, das System der Straflager für die inneren »Feinde« der Sowjetunion.
    Jahrelang fehlte jedes Lebenszeichen von den Verschleppten, die im Archipel GUPVI verschwunden waren. Während Kriegsgefangene schon in den ersten Jahren Karten an ihre Angehörigen schreiben durften, war dies den Zivilinternierten lange verboten. Von besonderer Tragik war das Schicksal jener Kinder, deren Mütter verschleppt wurden, verhungerten oder als Folge
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