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Sueße Verfuehrung an der Cote d'Azur

Sueße Verfuehrung an der Cote d'Azur

Titel: Sueße Verfuehrung an der Cote d'Azur
Autoren: Christina Hollis
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davongerannt, weil sie sich in diesem Paradies wie in einem goldenen Käfig fühlte. Auch hatte sie ausgeschlagen, in Sorglosigkeit auf die Geburt ihres heiß geliebten Kindes zu warten. Selbstmitleid war gewiss nicht angebracht.
    Also stand sie auf und klopfte sich den Staub von der Kleidung. So verheult und verdreckt sollte niemand sie sehen. Wie Aschenputtel kam sie sich vor und war doch von Alessandro wie die Braut eines Prinzen hierhergebracht worden. Nun musste sie zusehen, dass sie in dem Land, das er ihr zu Füßen gelegt hatte, ein Versteck für die Nacht fand.
    Sie schaute sich um und entdeckte weiter abwärts das Atelier, von dem Alessandro ihr erzählt hatte.
    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Dort würde sie wenigstens ein Waschbecken vorfinden und sich frisch machen können. Vielleicht warteten dort auch noch andere Überraschungen auf sie, die mit Alessandro dem Künstler zu tun hatten. Dort wollte sie Schutz suchen, um dieser Seite von ihm nah zu sein. Der andere, harte Alessandro, vor dem sie weggelaufen war, würde sie nicht vermissen.
    Das Atelier bestand aus einem einfachen Flachdachgebäude mit einem einzigen Raum. Alle Fenster zeigten nach Norden mit Blick auf das Tal. Hineinzukommen war viel einfacher, als Michelle es sich vorgestellt hatte. Weil er dem Wachpersonal traute, hatte Alessandro es nicht für nötig gehalten, die Tür abzuschließen. Anfänglich war sie schwergängig und knarrte. Michelle brauchte alle Kraft, um sie zu bewegen. Doch dann ließ sie sich mühelos und ohne Geräusch öffnen.
    Auf der Schwelle hielt sie inne. Hier sah es ganz anders aus als in dem Atelier in Südfrankreich. Es war dunkel und trist. Es gab nichts zu entdecken und nichts, worüber sie ins Träumen geriet. Geradezu verlassen sah es aus. Sie begann zu zittern, nicht nur vor Kälte. Nein, das war ein trauriger Aufenthaltsort. Lieber wollte sie gehen. Doch die Tür ließ sich nicht mehr öffnen. Sie hatte sie hinter sich zugezogen, damit der Wind nicht in die ohnehin unordentlich herumliegenden Papiere fuhr. Und nun drückte er gegen die Tür, und die rührte sich nicht, obwohl sie sich mit ihrem ganzen Körpergewicht dagegenstemmte.
    Wenn sie doch wenigstens ihren Mantel mitgenommen hätte. Sie blies in ihre kalten Hände, doch der Atem wärmte sie nicht. Der Wind fuhr durch die Ritzen des alten Gemäuers, und es war hier kaum angenehmer als draußen. Doch es lagen wie in allen Ateliers viele Lappen herum. Die stopfte sie in alle Öffnungen, die sie finden konnte. Inzwischen begann es zu dämmern. Sie suchte den Raum ab und fand eine kleine Öllampe. Vielleicht gab es ja auch einen Heizkörper. Und wirklich, in der Ecke stand einer. Doch Alessandro benutzte ihn als Ablageplatz. Vorsichtig zog sie ihn heraus und hoffte, dass der Stapel mit Büchern und Papieren nicht ins Wanken geriet. Als sie dann doch hinunterfielen, konnte sie mit ihren kalten Händen nur einen Teil davon auffangen. Das meiste fiel polternd und raschelnd zu Boden. Sie beschloss, sich erst um die Heizung zu kümmern und dann um das Aufräumen.
    Der Brenner war voller Ruß, doch irgendwie brachte sie ihn in Gang. Und weil es von draußen nicht mehr zog, wurde es rasch wärmer. Auf dem Boden kniend versuchte sie die hinuntergefallenen Papiere zu sortieren. Doch eine Ordnung war nicht erkennbar. Bücher und Fotokopien aus Handwerker-Magazinen waren wahllos aufeinandergestapelt worden. In vielen fand sie herausgerissene Zeitungsseiten als Lesezeichen verwendet. Dieses Chaos stand in merkwürdigem Gegensatz zur pedantischen Ordnung in Alessandros großer Bibliothek in der Villa.
    Beim Aufräumen stieß sie auch auf eine Kiste, die randvoll mit interessanten Dingen gefüllt war. Sie brauchte darin nicht einmal zu wühlen, denn alles lag fein säuberlich abgeheftet und in Klarsichthüllen gelegt da und war sogar mit Überschrift, Stichworten und Datum versehen. Der oberste Ordner stammte aus den letzten Wochen.
    Der Lauscher an der Wand, hört seine eig’ne Schand, kam ihr in den Sinn, und sie legte ihn rasch beiseite, weil die Möglichkeit bestand, dass sie hier etwas über sich selbst vermerkt fand. Stattdessen griff sie ganz nach unten in Alessandros Schulzeit. Die Zeugnisse bestätigten, dass er ein guter und eifriger Schüler gewesen war. Das Interesse seiner Eltern an seinem Werdegang musste man aber wohl als mangelhaft bezeichnen. In einer Reihe von Briefen wurden sie immer wieder eingeladen, gebeten und ermahnt, sich doch wenigstens
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