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Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Titel: Süße Teilchen: Roman (German Edition)
Autoren: Stella Newman
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zusammen und lüge nie.«
    Im Geist höre ich meine Mutter, die mir vor vielen Jahren sagte: »Man darf nicht alles glauben, Sophie. Oder meinst du, ein Mörder würde dir vorher sagen, dass er ein Mörder ist?«
    »Wie war dein Tag?« Ich trinke einen Schluck Wein.
    »Gut.«
    »Was hast du gemacht?«, frage ich ihn.
    »Mich mit ein paar Leuten wegen eines neuen Projekts getroffen. Und dann bin ich mit der Gemeindeverwaltung von Camden aneinandergeraten.«
    »Hast du deine Gemeindesteuer nicht gezahlt?«
    James lacht. »Doch, aber ich helfe ihnen mit einer Webseite, die sich an Schulen richtet. Es geht um das Recycling von Kleidung.«
    »Klingt interessant.« Und ziemlich ehrenhaft, dabei hätte ich ihn gar nicht als Linken eingestuft.
    »Sie haben sich an Berater aus der Branche gewandt. Ich kümmere mich um den Internetauftritt.«
    »Und wie sind sie ausgerechnet auf dich gekommen? Schlägt dein Herz für die Grünen?«
    Er lacht erneut. »Nein, aber ich wohne in Camden und kenne mich in der Bekleidungsbranche und mit Onlinegeschäften aus. Das soll jetzt nicht arrogant klingen, aber ich bin ganz gut in meinem Metier.«
    Es klingt tatsächlich nicht arrogant, eher würde ich es ausgesprochen selbstbewusst nennen.
    »Und weshalb habt ihr euch gestritten? Ging es um dein Honorar?«
    »Mein Honorar?«, fragt er verdutzt. »Ich mache das pro bono, aber ich finde, sie sollten offensiver auftreten und ehrgeiziger sein. Beispielsweise könnten sie anderen grünen Unternehmen auf ihrer Webseite Werbeplätze anbieten, das Geld in ihr Budget fließen lassen und die Gemeindesteuern senken.«
    »Und dann müsstest du weniger Abgaben zahlen.«
    »Sehr gut. Du bist eine kluge Frau.« Lächelnd reicht er mir die Speisekarte. »Was möchtest du essen?«
    »Hm, klingt alles sehr verlockend. Pappardelle mit Lammragout und Rosmarin, ich mag Rosmarin – oder doch lieber ein Steak?«
    »Ich dachte an die Tortellini oder das Steak. Die Pasta ist hier einsame Spitze.«
    »Dann nehme ich die«, beschließe ich. Er schmunzelt und schaut mir in die Augen.
    »Ich auch. Und dazu noch was Gesundes als Beilage – warte mal, was haben wir denn?«
    Nennen Sie mich ruhig oberflächlich, aber ich glaube, ich habe mich in James Stephens verliebt, als er ein Steak als gesunde Beilage wählte.
    Wir ergänzen uns großartig.
    Beide mögen wir Pommes mit Ketchup und Mayonnaise, und braune Soßen halten wir für eine Zutat, die sich der Teufel ausgedacht hat.
    Beide haben wir unsere Mathematiklehrer gehasst und waren in der Klasse die Zweitfrechsten.
    Beide verhalten wir uns beim Recycling von Müll so korrekt wie möglich, aber einen Komposthaufen in der Küche finden wir nun doch übertrieben.
    Wir haben beide ein Elternteil, das wohlweislich vor Beginn unserer Pubertät gestorben ist, und ein anderes, das wieder geheiratet hat und weggezogen ist: Victor Stephens in die Schweiz, Ruth Klein nach Kalifornien.
    Beide haben wir den Verdacht, dass Ricky Gervais nie mehr so etwas Witziges wie The Office gelingen wird und er im wahren Leben kein netter Zeitgenosse ist.
    Wir beide haben einen neununddreißig Jahre alten Bruder (Edward/Josh), der der Liebling unser Mutter war/ist, den wir einmal im Jahr sehen, der früher ein Playboy war, jetzt in einem warmen Land lebt (Singapur/Amerika) und einen Porsche fährt (rot/blau). Macht gleich sechs Punkte auf der Ergänzungsskala.
    Beide sind wir der Ansicht, dass betrunkene Autofahrer, die einen tödlichen Unfall verursachen, lebenslänglich kriegen sollten, und, falls sie doch vorzeitig freigelassen werden, nie mehr einen Führerschein bekommen dürfen.
    Weiterhin sind wir beide der Meinung, dass eine Ehe, die man schließt, ehe man dreißig Jahre alt ist, nicht gut gehen kann und sich jeder von uns inzwischen selbst ziemlich gut kennt.
    Wir beide glauben, dass es zu den größten Vergnügen im Leben gehört, etwas zu viel zu essen und zu trinken, und dass man sich anschließend eine Weile hinlegen sollte.
    Wir sind beide narzisstisch. Außerdem finden wir, dass dieser gemeinsame Abend aufregend war und unser Gegenüber äußerst anziehend und geistreich ist und wir uns wiedersehen möchten, und zwar sehr bald.

Mein Freund Pete und ich sind in dem Kino bei ihm um die Ecke, sitzen auf überteuerten Plätzen und warten darauf, dass ein norwegischer Vampir-Film beginnt. Ich vergewissere mich, dass die Luft rein ist, und ziehe die Tüte Schokokugeln hervor, die ich unter der Jacke verborgen ins Kino geschmuggelt
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