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Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Titel: Sündenkreis: Thriller (German Edition)
Autoren: Claudia Puhlfürst
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müssen, dass er die Stühle anheben sollte. Aber das hatte später noch Zeit.
    Romain Holländer zog die schwere Flügeltür hinter sich zu. Sein Atem ging stoßweise, und er wollte nicht, dass der Junge dies hörte. Vor dem mannshohen Sprossenfenster blieb er stehen und schaute in den Park hinaus. Hell funkelte der Schnee im Licht der Mittagssonne, und Romain Holländer schloss kurz die Augen und lauschte auf das Rumoren im Andachtsraum. Der goldlockige Konrad würde gleich zu ihm kommen, um bei den Nachbereitungen behilflich zu sein. Er öffnete die Augen wieder, schlüpfte gleichzeitig mit der rechten Hand ins Innere des Fledermausärmels und fuhr mit kreisenden Bewegungen über seinen Unterleib, während das silberweiße Licht ihn blendete. Hinter ihm wurde die Flügeltür geöffnet.
    »Prinzipal?«
    »Ja, mein Sohn?« Romain Holländer drehte sich nicht um. Seine Hand kreiste stärker.
    »Ich bin draußen fertig.«
    »Sehr schön, Konrad. Dann kannst du mir jetzt beim Umkleiden helfen.« Jetzt wandte er den Kopf nach hinten und bewunderte das Spiel des Lichts auf den hellen Kinderlocken. »Schließ die Tür, bitte.« Romain schob seine Hand wieder nach draußen und schritt zu dem Wandschrank, in dem die liturgischen Gewänder aufbewahrt wurden.
    Er würde Konrad körperlich nicht zu nahe kommen – zumindest jetzt noch nicht. Der Junge würde ihm beim Umziehen helfen und sich anschließend selbst umkleiden. Dabei konnte Romain die zarte Kinderhaut wie zufällig berühren und sich ein bisschen zu dicht über ihn beugen, mehr nicht. Den Rest erledigte die rechte Hand, wenn Konrad draußen war. In ein paar Monaten würde er ihn so weit haben, dass der Junge die Verrichtungen an Romain Holländer als Dienst an der Sache ansah und sich ihm freiwillig anbieten würde. Und wie all den anderen vor ihm würde es auch Konrad irgendwann Spaß machen, dem Führer zu Diensten zu sein. Das waren Erfahrungswerte.

3
    Vorsichtig entrollte der Mann sein Bild und beschwerte es an den Ecken mit Büchern, ehe er zur Lupe griff und das Segment studierte, das sich etwa auf drei Uhr des kreisrunden Gemäldes befand. Vor einer grünen Hügellandschaft sah man ein rundes Zelt, in dem sich ein Paar niedergelassen hatte, er halb liegend zu Füßen seiner Angebeteten, sie sitzend, eine rote Nelke in der Hand. Die Haube der Frau wies darauf hin, dass sie verheiratet war. Rechts von ihnen kroch ein Narr auf allen vieren in Richtung Zelt, seinen nackten Hintern hatte er in die Luft gereckt, während hinter ihm ein Mann mit einem Holzlöffel zum Schlag ausholte. Seiner Gürteltasche nach schien er ein Wirt oder Kuppler zu sein. Auch die vor dem Zelt scheinbar willkürlich angeordneten Gegenstände zeigten dem wissenden Betrachter, worauf Hieronymus Bosch in der Szene anspielte. Der runde Tisch mit dem Teller voller Kirschen, die Feldflasche auf dem Boden, Harfe, Flöte und Einhandtrommel waren traditionell Gegenstände der Ikonographie von Liebesgärten. Der Narr verkörperte die Torheit. Auch das zweite Paar, welches weiter hinten im Zelt stand, unterstrich den Aspekt der Lust. Die Frau, mit ihren hochgesteckten Zöpfen als Jungfrau erkennbar, wurde von einem vornehm gekleideten Gecken bedrängt.
    Der Mann legte die Lupe beiseite. Er kannte die Details der verschiedenen Segmente bis in jede Einzelheit. Und doch fand er es nützlich, sich vor der Präparation der jeweiligen Mitwirkenden noch einmal in die Bilder zu vertiefen. Die allegorischen Darstellungen untermauerten sein Vorhaben und bewiesen ihm, dass die Menschen schon immer sündhaft gewesen waren. Ab und zu wurde es Zeit, dass sie aufgerüttelt wurden, um ihre Sünden zu erkennen und zu bereuen. Dies war seine Aufgabe. Er hob die Bücher beiseite, und das Bild rollte sich von selbst wieder ein. Es war an der Zeit, die Nächste auf ihre Aufgabe vorzubereiten.
    *
    Die nassen Stellen an Nina Bernsteins Hose wollten einfach nicht trocknen. Es war zu kalt in dieser Höhle. Zuerst hatte sie sich geschämt, aber mittlerweile war es ihr egal. Es hatte keine andere Möglichkeit gegeben. Eine Toilette gab es nicht, und sie war an Händen und Füßen gefesselt. Es war schlicht unmöglich gewesen, dass sie die Hose vorher auszog. Also war ihr nichts anderes übrig geblieben, als sich einzunässen. Sie hatte sich mühsam aufgerichtet und war ein paar Schritte von der Matratze weggehüpft, weil sie das muffige Ding vielleicht noch brauchte, und hatte es laufen lassen. Es war eine Erleichterung und
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