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Süchtig

Titel: Süchtig
Autoren: Matt Richtel
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wollte mit jemandem reden, der auch im Café war. Ich … ich suche jemanden …«
    So knapp wie möglich schilderte ich den Zwischenfall im Café.
    »Diese Frau hat mir das Leben gerettet. Ich dachte,
Sie hätten sie vielleicht auch gesehen.« Annie erwähnte ich erst gar nicht. »Ich weiß, es klingt verrückt.«
    Sie hörte mir zu und schloss die Augen, wie um sich besser zu konzentrieren, aber ich wurde den Verdacht nicht los, dass sie mir etwas vorspielte.
    »Ich habe keine Frau aus dem Café gehen sehen. An Sie kann ich mich erinnern, aber ich wüsste nicht, dass Ihnen jemand eine Nachricht zugesteckt hätte«, meinte sie schließlich. »Sie haben sich an der Theke einen Kaffee geholt und sich dann neben den Ständer mit den Illustrierten gesetzt. Sie sind mir aufgefallen, weil ich dachte, Sie wollen vielleicht noch etwas bestellen. Wenn sich diese Frau, von der Sie reden, gar nicht erst hingesetzt hat, habe ich sie wahrscheinlich überhaupt nicht wahrgenommen. Ich kümmere mich nur um die Tische.«
    Ich biss die Zähne zusammen und wurde nachdrücklicher. »Sie hatte langes Haar. Sind Sie sicher, dass sie Ihnen nicht aufgefallen ist?«
    »Ich hatte gerade Pause und habe hinten im Lokal meine E-Mails abgerufen. Und direkt vor der Explosion bin ich auf die Toilette gegangen. Vielleicht ist sie da erst reingekommen.«
    »Warum sind Sie ausgerechnet direkt vor der Explosion auf die Toilette gegangen?« Es klang provozierend, aber ich konnte die Frage einfach nicht für mich behalten.
    »Das reicht.«
    »Miss Coultran …«
    Sie öffnete die Autotür, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Was haben Sie getan?«
    »Wie bitte?«

    »Hören Sie, ich muss weg. Reden wir ein anderes Mal«, sagte sie.
    Sie schrieb eine Handynummer auf einen Zettel und gab ihn mir. Erst als sie losfuhr, merkte ich, dass eine Ziffer fehlte. In diesem Augenblick klingelte mein Mobiltelefon. Am anderen Ende meldete sich eine Stimme, die ich nicht zuordnen konnte.
    »Mr Idle, hier spricht Danny Weller.« Der Polizist.
    »Sergeant.«
    Im Hintergrund hörte ich Verkehrslärm. »Können wir uns irgendwo treffen? Es dauert nur ein paar Minuten«, sagte er. »Ich habe Informationen, die Sie interessieren dürften.«

9
    Als ich in die Bus Stop Bar kam, war Sergeant Danny Weller schon da. Er saß in einer Nische im hinteren Teil des Lokals und wirkte mit seinem Buttondown-Hemd eher wie ein Zahnarzt als wie ein Polizist. Die Nase hatte er in eine Zeitung gesteckt. Neben ihm saß ein dunkelhäutiger, breit gebauter Beamter in Uniform, der mindestens einen Kopf größer war als Weller. Er war mit irgendwelchem Papierkram beschäftigt.
    »Japanische Richtung des Buddhismus mit drei Buchstaben«, hörte ich Weller sagen, als ich mich den beiden näherte. Er antwortete sich selbst. »Zen«, murmelte er, ohne von dem zusammengefalteten Chronicle aufzusehen.

    Weller stellte seinen Kollegen als »Großen Samoaner alias Officer Edward Velarde« vor. Velardes Händedruck war schmerzhaft fest, und er kam mir irgendwie bekannt vor. Am Haaransatz neben dem linken Ohr hatte er einen roten Ausschlag, der auf Schuppenflechte hindeutete. Vielleicht hatte ich ihn nach der Explosion gesehen, aber ich wusste es nicht mehr genau. Als Medizinstudent lernt man, Menschen anhand ihrer Krankheiten zu identifizieren. Er ließ sich von Sergeant
Weller die Papiere abzeichnen, an denen er gearbeitet hatte, und steckte sie in seine Aktentasche.
    »Bye-bye, Süßer«, sagte er mit aufgesetztem Lispeln zu Weller und entschwand.
    »Was ist los, Sergeant?«, fragte ich direkt.
    »Als ich klein war, fuhren mein Vater und ich fast jedes Wochenende zum Angeln an den Sacramento River oder zum Wandern an den Lake Tahoe. Der Verkehr auf dem Highway 80 war immer mörderisch, deswegen musste ich meinem Vater unterwegs das Kreuzworträtsel vorlesen. Er war ganz wild auf Rätsel«, erwiderte er. »Für Kreuzworträtsel braucht man in erster Linie ein gutes Gedächtnis. Analytisches Denken bringt einen nicht weiter. Ich habe schon mit zwölf angefangen, mir Schlüsselwörter zu merken. Wenn ich damals ein Wort falsch gebrauchte, ließ mich mein Vater den ganzen Tag mit dem Wörterbuch herumlaufen.«
    Offenbar wollte er nach seinen Regeln spielen. Ich ließ mich darauf ein, obwohl ich vor Neugier brannte.
    »Gehen Sie noch mit Ihrem Vater angeln?«
    »Er lebt in einem Heim in Fremont und ist sehr krank. Ohne neue Leber wird das nichts mehr«, sagte Weller. »Aber was rede ich von meinen
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