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Sturz ins Glück

Sturz ins Glück

Titel: Sturz ins Glück
Autoren: Karen Witemeyer
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geschüttelt, wenn sie ihre Nichte so hätte sehen können. Von einer jungen Dame, die immerhin vier Jahre in Boston verbracht hatte, um sich zu bilden und ihre gesellschaftlichen Umgangsformen zu verbessern, hätte man erwartet, dass sie sich in einer großen Stadt wie Fort Worth sofort wie zu Hause fühlte. Doch in ihrem Inneren war Adelaide immer noch das Mädchen vom Lande. Weder die Bildung noch geschliffene Umgangsformen hatten das ändern können. Sehr zu Tante Louises Bestürzung.
    „Verzeihung, Ma’am.“ Ein Junge, der nicht älter als fünfzehn sein konnte, lenkte einen Wagen mit Koffern und Ledertaschen auf sie zu. Sie trat einen Schritt zur Seite, um ihn passieren zu lassen. Er nickte knapp und verschwand in der Menge.
    Sein junges Gesicht allerdings blieb ihr vor Augen und erinnerte sie an ihre frühere Verantwortung. Jungen mit Schulbüchern auf den Pulten und Eidechsen in den Hosentaschen. Sie unterdrückte einen wehmütigen Seufzer und war überrascht, dass sie so etwas wie Bedauern empfand.
    Adelaide streckte sich und schüttelte den Kopf. Bedauern? Dies war nicht der Augenblick für Grübeleien und Verzagtheit. Es war Zeit, ihren Traum zu verwirklichen. Irgendwo hier in der Stadt war Henry und sie würde ihn ausfindig machen. Eines Tages würde sie wieder unterrichten. Wenn nicht in einem Klassenzimmer, dann ihre eigenen Kinder. Ihre und Henrys Kinder. Bei diesem Gedanken machte ihr Herz einen kleinen Sprung. Der heutige Tag würde für sie den Anfang eines Märchens bedeuten. Die erste Seite einer Geschichte, die mit den Worten Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage enden würde.
    „Wissen Sie schon, wo Sie wohnen, Miss?“ Ein Mann in einer grünen Uniform trat geschäftsmännisch lächelnd an sie heran. „Clark House ist das nächste Hotel am Bahnhof“, sagte er mit lauter Stimme. „Es ist nur ein paar Schritte von hier direkt an der Hauptstraße gelegen. Garantiert saubere Räume. Gutes Essen. Eine respektable Unterkunft für eine junge Dame wie Sie. Ich könnte auch gleich Ihr Gepäck dorthin bringen.“
    Clark House. Irgendetwas an diesem Namen kam ihr bekannt vor. Adelaide hob den Kopf, um den Mann vor sich genauer zu betrachten. Ihr Vater hatte ihr beigebracht, dass sie den Charakter eines Menschen besser einschätzen konnte, wenn sie ihm direkt in die Augen sah. Leider waren die meisten Männer nicht klein genug, um diesen Rat so einfach zu befolgen, wie es sich anhörte, deshalb musste sie sich damit begnügen, ihn von unten zu mustern. Er trug eine Kappe, auf die man die Worte Clark House gestickt hatte. Er wirkte seriös.
    „Gibt es dort eine Pferdevermietung in der Nähe?“
    Bevor er ihr antworten konnte, trat ein Mann in blauer Dienstkleidung neben sie. „Tag, Miss. Wenn Sie ein Pferd brauchen, ist das Day Hotel genau das Richtige für Sie. Freighter’s Wagon Yard befindet sich direkt daneben und Turner’s Livery genau gegenüber. Viele Möglichkeiten, damit eine Lady wie Sie sich die Stadt anschauen kann.“
    „Danke, aber ich –“
    „Turner’s Livery ist eigentlich viel näher an Clark House Miss“, mischte sich der Mann in Grün wieder ein und warf dem anderen einen vernichtenden Blick zu. „Ich wäre glücklich, Sie dort –“
    „Ach, glauben Sie den beiden kein Wort, Lady.“
    Wunderbar. Jetzt mischte sich auch noch ein Mann in roter Uniform ein. Adelaide blickte vom einen zum anderen. Sie waren wie Raubvögel, die nacheinander hackten, um ihre Krumen zu bekommen. Und je länger sie ihre Entscheidung hinauszögerte, desto hungriger wurden sie und kreisten sie mehr und mehr ein. Adelaide trat einen Schritt zurück.
    „Was Sie brauchen, ist ein Zimmer im Clayton “, erklärte der Rote. „Unsere Preise sind viel günstiger als die dieser Halsabschneider. Wir haben auch gutes Essen.“
    Die Männer schubsten sich gegenseitig, während sie versuchten, ihre Hotels an den Mann oder besser gesagt an die Frau zu bringen. Adelaides Blick schnellte zwischen ihnen hin und her. Panik stieg in ihr auf. Dann ließ ein Ausruf sie aufmerksam werden.
    „Ich versichere Ihnen, dass das Restaurant des Clark Houses zu den besten der Stadt gehört. Selbst Fort Worths Elite diniert dort.“
    Jetzt wusste sie, wo sie den Namen des Hotels schon einmal gehört hatte – von Henry. Wenn das Essen in der Pension in Cisco Henry nicht gefallen hatte, hatte er immer von seinem Lieblingsrestaurant in Fort Worth geschwärmt. Dem Clark House . Und vor allem von dem Beefsteak, das
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