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Sturz ins Glück

Sturz ins Glück

Titel: Sturz ins Glück
Autoren: Karen Witemeyer
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die Augen und starrte geradeaus. Sie würde nicht in Panik geraten, also atmete sie tief durch und erinnerte sich an ihren klaren Verstand, der ihr immer gut geholfen hatte, wenn es zum Beispiel in ihrem Klassenzimmer Probleme gegeben hatte. Nun gut. Herauszufinden, wohin Beth Hansens Brotdose jeden Tag nach der Pause verschwunden war, war wohl mit ihrer momentanen Situation kaum zu vergleichen, doch vielleicht konnten ihr geordnete Gedanken jetzt weiterhelfen.
    Also gut. Sie wusste, wohin sie nicht gehen konnte – zurück nach Cisco. Das verringerte ihre Möglichkeiten auf ein paar Tausend andere. Also wie sollte sie sich für eine entscheiden?
    Sie blickte über die Schulter hinweg in Richtung Fenster. Die Wolke stand immer noch am Himmel. Warum konnte sie den Gedanken nicht abschütteln, dass sie extra für sie dort war? Wieder entstand dieses Flattern in ihrem Herzen, dieses Mal stärker als zuvor. Gott hatte schon in der Bibel immer wieder Wolken benutzt, um sein Volk zu führen. Vielleicht tat er das nun mit ihr.
    Aber eine Wolke? Adelaide schnaufte und verschränkte die Arme vor der Brust. Konnte es ein unklareres Zeichen geben? Ein brennendes Signalfeuer am Himmel wäre sicher eindeutiger gewesen. Diese Nachricht hätte man nicht missverstehen können. Klar. Deutlich. Zuversichtlich.
    Wolken verschleierten Dinge. Sie verdrängten die Sonne und machten alles undurchsichtig. Mit einer Wolke vor sich würde sie nie mehr als einen Schritt voraussehen können.
    Denn als Glaubende gehen wir unseren Weg, nicht als Schauende.
    Der Spruch schoss ihr durch den Kopf und verdrängte ihre zweifelnden Gedanken. Vielleicht sprach Gott doch zu ihr. Nur nicht so, wie sie es erwartet hatte.
    Je mehr sie an Mose und die Israeliten dachte, die durch die Wüste gewandert waren, desto mehr wurde ihr die Rolle der Wolke bewusst. Sie hatte die Menschen damals nicht nur geleitet, nein, sie hatte Gottes Gegenwart enthalten. Durch sie hatte Gott mit Mose gesprochen und das Heiligtum mit seiner Herrlichkeit erfüllt. Das Volk Israel hatte seine Reise erst dann fortgesetzt, wenn sich die Wolke in Bewegung setzte. Sie hatten sich auf diese Wolke verlassen und waren nicht ohne sie weitergezogen.
    Adelaide richtete sich in ihrem Sessel auf und begriff endlich. Sie war ohne die Wolke losgezogen. Sie senkte ihren Kopf.
    „Gott, vergib mir meine Ungeduld. Ich habe getan, was ich für das Beste hielt, und mich nicht in deine Hände begeben. Ich habe dir nicht genug vertraut, um auf ein Zeichen von dir zu warten.“
    Langsam und zitternd atmete sie ein. „Ich habe es wirklich alles in den Sand gesetzt, oder? Ich brauche dich jetzt mehr als je zuvor. Zeig mir, wohin ich gehen und was ich tun soll. Und bitte schenk mir genug Vertrauen, damit ich dir auch folgen kann, wenn ich noch nicht erkenne, wohin der Weg mich bringt. Im Namen Jesu, amen.“
    Adelaide fühlte sich jetzt ruhiger, aber auch ein wenig betäubt. Wie mechanisch machte sie sich fertig fürs Bett. Erst der Spritzer kalten Wassers aus der Schale auf der Kommode und das raschelnde Nachthemd erfrischten ihren Geist. Sie schnappte sich das Kissen, das sie vorhin noch so stiefmütterlich behandelt hatte, und schüttelte es auf. Nachdem sie es wieder ordentlich auf ihrem Bett drapiert hatte, kroch sie unter die Decke und zog sie hoch. Papier knisterte.
    Sie hob die Tagesdecke an und fand darunter die Zeitung, die sie aus dem Warteraum des Restaurants mitgenommen hatte. Adelaide faltete sie sorgsam zusammen und fing an, sie glatt zu streichen. Das arme Ding war eindeutig zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und hatte schrecklich gelitten.
    Als sie sich daran machte, die Seiten zu ordnen, sprang ihr eine Anzeige ins Auge.

    Gesucht:
    Hauslehrerin für Tochter eines Farmbesitzers
    Erfahrung und Referenzen nötig
    Persönlich vorstellen bei Mr James Bevin
    Ecke Houstonstraße und 13. West

    Schwindel stieg in Adelaide auf und ließ eine Gänsehaut auf ihren Armen entstehen. Ihre Wolke hatte sich soeben in Bewegung gesetzt.
    * * *
    Am nächsten Morgen eilte Adelaide aufgeregt in Korsett und Unterhose in ihrem Zimmer umher und betrachtete ihre Kleider, die sie nebeneinander über den Möbeln drapiert hatte. Drei lagen auf dem Bett, zwei über dem Sessel und eins hing über dem Spiegel der Kommode. Wie konnte es sein, dass sie ihr gesamtes Leben ohne zu zögern hinter sich ließ, um einem Mann zu folgen, sich aber beim besten Willen nicht für ein Kleid entscheiden konnte, wenn es darauf
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