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Sturz in den Tod (German Edition)

Sturz in den Tod (German Edition)

Titel: Sturz in den Tod (German Edition)
Autoren: Anke Gebert
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wahren Schuldigen zur Rechenschaft ziehen.
Den Menschen, der zugelassen hat, dass ihr all das passierte. Den Menschen, der
sie den barmherzigen Schwestern im Heim übergeben hatte. Der sie abgeliefert
hatte. Ausgeliefert.
    ***
    Nina hatte immer geglaubt, dass alle Handschellen angelegt
bekämen, bevor sie zu einer Vernehmung abgeführt wurden. Sie trug keine
Handschellen und erinnerte sich, dass einer der Beamten etwas von einer
Befragung und einem Protokoll gesagt hatte. Trotzdem war es, als würde sie
abgeführt. Niemals würde sie Frau Schneiders entsetzten Blick vergessen, als
sie zwischen den beiden Beamten aus der Tür der Maritim-Residenz ging. Sie
verlor den Halt in ihren Flip-Flops und stolperte. Die beiden Männer hatten sie
sofort fest im Griff. Im Auto setzte sich einer der Beamten neben sie auf die
Rückbank.
    Nina hatte ihre Strandtasche in Frau Bergmanns Wohnung stehen
gelassen, doch sie sagte nichts. Sie musste an ihre Mutter denken, der
sicherlich sofort wieder der Schmerz in den Rücken fahren würde, wenn sie
erfuhr, was Nina gerade passierte. Gegenüber den Kripobeamten war ihr keine
schlüssige Erklärung eingefallen, was sie in Frau Bergmanns Wohnung, in Frau
Bergmanns Schrank gesucht hatte. Sie hatte die Tasche voller Geld nicht
erwähnt, denn wie sollte sie erklären, dass die Tasche inzwischen leer war?
    Einer der Beamten hatte Ninas Korbtasche durchsucht. Nach Verlassen
der Wohnung hatten die Polizisten die Tür versiegelt.
    Im Auto verließen sie Travemünde in Richtung Autobahn, in Richtung
Lübeck. Nina drehte sich verunsichert um. Viele Leute in Autos mit dem
Kennzeichen  HL für die Hansestadt Lübeck waren in
entgegengesetzter Richtung unterwegs, nach Scharbeutz, nach Timmendorf, nach
Travemünde. Die Insassen wollten wohl nach Feierabend noch ein paar warme
Sonnenstunden am Meer verbringen.
    Nach anfänglichem Schweigen begannen die beiden Beamten sich zu
unterhalten, so, als wäre Nina nicht anwesend, oder so, als wäre es das
Normalste, dass jemand wie sie in diesem Auto saß. Die beiden Männer redeten
über die demnächst in Deutschland stattfindende Frauenfußball-Weltmeisterschaft.
Nina sah auf die Halbglatze des Mannes, der schräg vor ihr am Steuer saß. Im
Nacken war sein Haar nachlässig ausrasiert. Der Mann neben ihr trug einen
Bürstenhaarschnitt. Beide hatten noch ziemlich glatte Haut und doch etwas
Unlebendiges, das sie vermutlich wesentlich älter erscheinen ließ, als sie
waren.
    Nina versuchte vergeblich, sich zu konzentrieren. Sie erwog, auf dem
Revier von dem Geld in der Tasche zu erzählen. Dann nahm sie wieder Abstand von
dem Gedanken. Dann überlegte sie erneut, die Wahrheit zu sagen.
    Auf dem Parkplatz vor dem Revier stiegen die Männer schweigend aus.
Einer öffnete Nina die Tür. Ein anderer holte zu Ninas Verwunderung ihre
Korbtasche aus dem Kofferraum. Beide Männer blieben dicht neben ihr, als sie
das Haus betraten. Eine Frau kam vorbei und meinte mit Blick auf Ninas Korb mit
der Strandmatte: »Na, habt ihr wieder mal eure Arbeit mit dem Vergnügen
verbunden?«
    Nina lächelte der Frau zu und wusste im selben Moment nicht,
weshalb. Sie wurde an mehreren offen stehenden Bürotüren vorbeigeführt. Überall
saßen Beamte an Schreibtischen, kaum einer blickte auf. Am Ende des Ganges
blieben die Beamten mit ihr in der Tür zum Büro eines etwa vierzigjährigen
Mannes stehen. Der Mann im Büro sah kurz vom Bildschirm seines Computers hoch
und wies wortlos mit dem Kopf nach rechts.
    Der Beamte mit dem Bürstenhaarschnitt nahm Nina am Oberarm. Zwei
Türen weiter betraten sie einen kargen Raum, mit nicht viel mehr ausgestattet
als einem Tisch, an dem zwei Stühle einander gegenüberstanden.
    »Setzen Sie sich!«, sagte der Beamte mit der Halbglatze.
    Nina fragte, ob sie noch schnell auf die Toilette dürfe.
    Wieder hinaus in den Flur, vorbei an den Türen, in Begleitung eines
der Polizisten. Auf der Toilette stützte Nina die Ellenbogen auf die Knie und
ihr Gesicht in die Hände. Was passierte hier gerade? Obwohl sie seit der
Autofahrt dringend musste, kam kaum etwas aus ihrer Blase. Nina wusch sich die
Hände, befeuchtete ihr Gesicht. Sie sah sich im Spiegel an und sah sich nicht.
    Die Flip-Flops machten bei jedem Schritt auf dem gefliesten Boden
ein quietschendes Geräusch. Zurück im Raum, saß bereits der Mann aus dem Büro
am Tisch. Er gab seinen beiden Kollegen ein Zeichen, dass er die Sache jetzt
übernehmen werde. Der mit der Halbglatze verließ den Raum.
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