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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen
Autoren: Ken Follett
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gekoppelt mit einer Verlängerung der Schulpflicht, die verhindern sollte, dass immer mehr junge Männer auf den überfüllten Arbeitsmarkt drängten.
    Doch die eigentliche Frage war, wer die Regierung übernehmen sollte.
    »Um die Beschäftigung in der Landwirtschaft anzukurbeln, gewährt die konservative Regierung jedem Bauern einen Zuschuss von einem Pfund pro Acre – vorausgesetzt, er zahlt seinen Landarbeitern mindestens dreißig Shilling die Woche«, sagte Fitz.
    Billy schüttelte belustigt und verärgert zugleich den Kopf. Warum sollte man den Bauern Geld geben? Sie verhungerten nicht. Erwerbslose Fabrikarbeiter allerdings schon.
    Dah, der neben Billy saß, sagte: »Mit dem Gerede gewinnt er in Aberowen keine Stimmen.«
    Billy war der gleichen Ansicht. Den Wahlkreis hatten früher die Bauern der Gegend beherrscht, aber diese Zeiten waren längst vorbei. Heute, wo die Arbeiterklasse wählen durfte, überstimmten die Bergleute die Bauern bei Weitem. In der verworrenen Wahl von 1922 hatte Perceval Jones sein Mandat behalten, aber nur um ein paar Stimmen. Dieses Mal würde er doch wohl den Kürzeren ziehen?
    Fitz redete sich in Rage. »Wenn Sie Labour wählen, stimmen Sie für einen Mann mit einer fragwürdigen Militärdienstakte«, rief er. Den Zuhörern gefiel die Bemerkung wenig: Sie kannten Billys Geschichte und betrachteten ihn als Helden. Mürrisches Gemurmel erhob sich. Dah brüllte: »Sie sollten sich was schämen!«
    Fitz achtete nicht darauf. »Einen Mann, der seine Waffengefährten und Offiziere verraten hat, einen Mann, der wegen Verrats vor das Kriegsgericht kam und ins Gefängnis geschickt wurde. Ich sage Ihnen: Bringen Sie keine Schande über Aberowen, indem Sie so jemanden ins Parlament wählen.«
    Fitz setzte sich, begleitet von Applaus, vermischt mit Buhrufen. Billy starrte ihn an, doch Fitz wich seinem Blick aus.
    Nun stieg Billy auf das Podium. »Ihr erwartet jetzt wahrscheinlich von mir, dass ich Lord Fitzherbert so beleidige, wie er mich beleidigt hat«, begann er seine Rede.
    In der Menge rief Tommy Griffiths: »Mach ihm die Hölle heiß, Billy!«
    »Aber wir sind hier nicht bei einer Schlägerei am Füllort«, sagte Billy. »Diese Wahl ist viel zu wichtig, um sie mit billigem Spott zu entscheiden.«
    Die Menge wurde ruhig. Billy wusste, dass seine Sachlichkeit bei den Leuten nicht besonders ankommen würde; Spott und Kraftausdrücke lagen eher auf ihrer Linie. Er sah aber auch, dass sein Vater zustimmend nickte. Dah begriff, was sein Sohn vorhatte. Natürlich begriff er es. Er hatte es Billy beigebracht.
    »Der Earl hat Mut bewiesen, indem er hierhergekommen ist und seine Ansichten vor euch Bergarbeitern vertreten hat«, fuhr Billy fort. »Er irrt sich vielleicht – nein, er irrt sich ganz bestimmt –, aber ein Feigling ist er nicht. Im Krieg war er genauso. Viele unserer Offiziere waren so. Sie waren tapfer, aber im Irrtum. Sie hatten die falsche Strategie und Taktik, sie waren miserabel informiert, und ihr Denken war überholt. Aber sie konnten ihr Denken nicht ändern, ehe Millionen Männer gefallen waren.«
    Das Publikum war still geworden. Die Leute hörten gespannt zu. Billy schaute zu Mildred, die ihn stolz anblickte, in jedem Arm ein Kleinkind – Billys zwei Söhne David und Keir, ein und zwei Jahre alt. Mildred interessierte sich nicht besonders für Politik, wollte aber, dass Billy Abgeordneter wurde, damit sie zurück nach London zogen, sodass sie ihr Geschäft wiedereröffnen konnte.
    »Im Krieg ist kein Mann aus der Arbeiterklasse je in den Rang eines Offiziers befördert worden. Die Privatschulabsolventen aber sind ohne Ausnahme als Second Lieutenants in die Army eingetreten. Das Leben jedes Veteranen, der heute hier ist, wurde von halbgescheiten Offizieren sinnlos aufs Spiel gesetzt, aber vielen von uns hat irgendein kluger Sergeant das Leben gerettet.«
    Lautes, zustimmendes Gemurmel erhob sich.
    »Ich bin hier, um euch zu sagen, dass diese Zeiten vorüber sind. In der Army und in anderen Bereichen des Lebens sollten Männer wegen ihres Verstandes befördert werden, nicht wegen ihrer Herkunft.« Billy hob die Stimme, und nun hörte er das leidenschaftliche Beben darin, das er von seinem Vater kannte, wenn er predigte. »In dieser Wahl geht es um die Zukunft, um die Frage, in was für einem Land unsere Kinder aufwachsen sollen. Wir müssen dafür sorgen, dass es ein anderes Land wird als das, in dem wir großgeworden sind. Die Labour-Partei ruft nicht zur Revolution auf
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