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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen
Autoren: Ken Follett
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Grigori Peschkow, Mitglied des bolschewistischen Zentralkomitees. Ich will sofort den Gefangenen Konstantin Worozyntsow sehen. Worauf wartet ihr? Macht voran!« Er hatte herausgefunden, dass herrisches Auftreten die beste Methode war, wenn man etwas schnell erledigt haben wollte, auch wenn es ihn an das Benehmen eines verwöhnten Edelmannes erinnerte.
    Ein paar Minuten lang liefen die Wachen in panischer Hast umher; dann trat der diensthabende Offizier zu ihm. Der Anblick des Mannes war ein Schock für Grigori. Es war Michail Pinsky.
    Grigori war entsetzt. Pinsky war einer der schlimmsten Schläger der zaristischen Polizei gewesen. Erfüllte er jetzt die gleiche Aufgabe für die Revolutionäre?
    Pinsky grinste ihn schmierig an. »Genosse Peschkow«, sagte er. »Welche Ehre.«
    »Das hast du damals nicht gesagt, als ich dir eins verpasst habe, weil du ein Bauernmädchen begrapscht hast«, sagte Grigori.
    »Ja, die Dinge haben sich sehr verändert, Genosse. Für uns alle.«
    »Warum habt ihr Konstantin Worozyntsow festgenommen?«
    »Wegen konterrevolutionärer Aktivitäten.«
    »Das ist lächerlich. Er war Vorsitzender der bolschewistischen Diskussionsgruppe in den Putilow-Werken und gehörte zu den ersten Deputierten des Petrograder Sowjets. Er ist mehr Bolschewik als ich.«
    »Ach ja?«, erwiderte Pinsky mit drohendem Unterton.
    Grigori ignorierte ihn. »Bringt ihn zu mir.«
    »Sofort, Genosse.«
    Ein paar Minuten später wurde Konstantin gebracht. Er war schmutzig und unrasiert, und er roch wie ein Schweinestall. Magda brach in Tränen aus und schlang die Arme um ihn.
    »Ich muss unter vier Augen mit dem Gefangenen sprechen«, sagte Grigori zu Pinsky. »Bring uns in dein Büro.«
    Pinsky schüttelte den Kopf. »Mein bescheidenes Büro …«
    »Keine Diskussion«, unterbrach ihn Grigori. »Dein Büro.« So betonte er seine Macht. Er musste Pinsky unter Druck setzen.
    Pinsky führte sie zu einem Raum im ersten Stock, der einen Blick auf den Innenhof gewährte. Rasch ließ er den Schlagring auf dem Tisch in einer Schublade verschwinden.
    Grigori schaute aus dem Fenster und sah, dass die Sonne aufging. »Warte draußen«, sagte er zu Pinsky.
    Nachdem Pinsky gegangen war, setzten sie sich. Grigori blickte Konstantin an. »Was ist hier los?«, fragte er.
    »Als die Regierung nach Moskau gezogen ist, sind wir ebenfalls umgezogen«, erklärte Konstantin. »Ich dachte, ich würde Kommissar, aber ich hatte mich geirrt. Ich hatte hier keine politische Unterstützung.«
    »Was hast du dann gemacht?«
    »Ich habe mir eine normale Arbeit besorgt, in einer Fabrik für Motorteile und Kugellager.«
    »Aber warum hält die Polizei dich für einen Konterrevolutionär?«
    »Die Fabrik wählt einen Deputierten für den Moskauer Stadtsowjet. Einer der Ingenieure hat für die Menschewiken kandidiert. Er hat eine Versammlung abgehalten, und ich bin hingegangen, um es mir anzuhören. Es waren nur zwölf Leute da. Ich habe kein Wort gesagt, bin nach der Hälfte gegangen und habe ihn nicht gewählt. Natürlich hat der bolschewistische Kandidat gewonnen. Doch nach der Wahl sind alle gefeuert worden, die auf der Versammlung der Menschewiken gewesen sind. Dann, letzte Woche, hat man uns alle verhaftet.«
    »So etwas dürfen wir nicht tun!«, sagte Grigori verzweifelt. »Nicht einmal im Namen der Revolution. Wir können Arbeiter nicht verhaften, nur weil sie sich andere Ansichten anhören.«
    Konstantin musterte ihn seltsam. »Warst du fort?«
    »Ja«, antwortete Grigori. »Ich habe gegen die konterrevolutionären Armeen gekämpft.«
    »Deshalb weißt du also nicht, was los ist.«
    »Willst du damit sagen, das ist auch früher schon passiert?«
    »Grischka, das passiert jeden Tag.«
    »Das kann ich nicht glauben.«
    Magda sagte: »Und gestern Nacht habe ich eine Nachricht bekommen – von einer Freundin, die mit einem Polizisten verheiratet ist. Sie hat mir mitgeteilt, dass Konstantin und die anderen heute Morgen um acht Uhr erschossen werden sollen.«
    Grigori blickte auf seine Armeearmbanduhr. Es war fast acht. »Pinsky!«, brüllte er.
    Der Polizist kam herein.
    »Sag die Hinrichtung ab.«
    »Ich fürchte, dafür ist es zu spät, Genosse.«
    »Willst du damit sagen, sie sind schon erschossen worden?«
    »Noch nicht ganz.« Pinsky ging zum Fenster.
    Grigori folgte ihm, dann auch Konstantin und Magda.
    Unten, auf dem verschneiten Hof, war ein Erschießungskommando angetreten. Den Soldaten gegenüber zitterten ein Dutzend Männer in dünnen
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