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Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)

Titel: Sturmwolken am Horizont -: Roman (German Edition)
Autoren: Elisabeth Büchle
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zurück. Gute Nacht.« Mit diesen Worten drehte Philippe sich um, schritt auf die Brüstung zu, stützte sich mit einer Hand auf und sprang hinunter auf die knapp zwei Meter tiefer gelegene Rasenfläche.
    Demy sah ihm nach, wie er vom Mondlicht beschienen durch die akkurat geschnittenen Rosenbüsche schlenderte und schließlich hinter einer hohen Buchsbaumhecke verschwand.
    Ärgerlich schüttelte sie den Kopf. Über sechs Jahre war sie diesem Philippe nicht mehr begegnet und ausgerechnet hier in Frankreich, abseits aller preußischer Konventionen und der sie einengenden Stellung als Gesellschafterin ihrer Schwester tauchte er wie aus dem Nichts auf und verdarb ihr den Abend. Er war älter geworden, ruhiger vielleicht, aber eines war noch immer gleich geblieben: Sie konnte ihn nicht leiden!
    3 Herero-Namakrieg (1904 – 1908)
    4 Abkürzung für: kaiserlich und königlich. Gemeint ist die Österreich-Ungarische Armee

Kapitel 2
    Berlin, Deutsches Reich,
August 1914
    »Ich muss hier raus, Lina. Ich bekomme es mit der Angst zu tun.« Margarete Groß ergriff ihre Freundin Halt suchend am Unterarm.
    Lina Barna nickte, wenngleich ihr gerötetes Gesicht und die munter blitzenden Augen deutlich verrieten, wie beschwingt sie sich ihrerseits in der berauschten Menschenmenge fühlte.
    Nachdem die Antikriegsdemonstrationen abgeflaut waren, die dem Ultimatum Österreich-Ungarns an Serbien gefolgt waren, hatte am Vortag die Verkündung des Zustands drohender Kriegsgefahr erneut eine gewaltige Welle Menschen auf die Berliner Straßen und Plätze gespült. Dieses Mal schrien sie ihre Begeisterung für eine nahende kriegerische Auseinandersetzung hinaus.
    An diesem ersten Augusttag nun hatten die reißerischen Worte in der Presse und die Plakate an den Berliner Litfaßsäulen den Pulsschlag der Stadt für einen Moment zum Stillstand gebracht: Das Deutsche Kaiserreich hatte die Mobilmachung ausgerufen, nachdem eineinhalb Stunden zuvor die Aufbietung der Truppen in Frankreich erklärt worden war.
    Das deutsche Volk fand, es sei an der Zeit, dass dem ewigen Geplänkel zwischen dem Balkan und Österreich-Ungarn, Russland, England und Frankreich ein Ende gesetzt wurde. Die Zeit war reif! Das Deutsche Reich war eine Wirtschaftsmacht auf dem europäischen Kontinent, den anderen Ländern in so gut wie allen Bereichen überlegen. Wen oder was sollten sie fürchten?
    Vor dem Stadtschloss versammelten sich Zigtausend singende und jubelnde Bürger, und auch Lina spürte Erleichterung darüber, dass die Anspannung der vergangenen Wochen endlich endete, die sich angefühlt hatte, als tanzten sie alle auf einem Vulkan. Nun entluden sich die aufgestauten Emotionen auf den Straßen Berlins.
    Lina winkte kräftig mit ihrem Taschentuch. Wie alle anderen um sie her ließ sie den Kaiser und die deutschen Soldaten hochleben, die bald in einen ehrenvollen Kampf gegen die Feinde ins Feld ziehen wollten. Sie fühlte sich einfach großartig!
    Über das Jauchzen der Menschen hinweg hörte Lina Margaretes erstickten Aufschrei. Erschrocken drehte sie sich nach ihr um. Ihre Freundin hielt sich die rechte Wange. Ob sie einen Schlag ins Gesicht bekommen hatte?
    Tränen liefen Margarete über das blasse Gesicht. Der Hilfeschrei in ihren braunen Augen verleitete Lina endlich dazu, ihre zarte Freundin fest an der Hand zu nehmen und sich unter Einsatz ihrer Ellenbogen gegen die wogenden Massen anzustemmen. Sie stieß die dicht gedrängten Menschen rücksichtslos beiseite, um sich und Margarete eine Gasse zu schaffen.
    Männer brüllten lauthals irgendwelche Parolen und schleuderten ihre hellen Strohhüte in die Höhe. Frauen winkten, jubelten, und ihre fast verzerrt wirkenden Gesichtszüge mussten einer zartbesaiteten Frau wie Margarete an grausige Fratzen erinnern und Angst einjagen.
    Lina umklammerte die schmale Hand der Freundin noch kräftiger und zerrte sie nahezu gewaltsam hinter sich her. Die beiden traten auf Spitzentaschentücher, auf verbeulte, vom Straßendreck verschmutzte Canotiers 5 und auf einen verlorenen Kinderschuh. In der Hoffnung, dass das Kind nicht ebenfalls irgendwo zwischen den Beinen der Menschenmenge lag, stieg Lina über ihn hinweg. Dabei verfinsterte sich ihr kantiges, nicht sehr weiblich anmutendes Gesicht.
    Endlich sah sie die schmiedeeisernen Begrenzungen der Schlossbrücke vor sich, konnte sie aber nicht erreichen. Es war wie in einem Albtraum! Sie wollte weitergehen, doch unsichtbare Hände schienen sie zurückzuhalten, hinderten sie am
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