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Sturmwind der Liebe

Sturmwind der Liebe

Titel: Sturmwind der Liebe
Autoren: Catherine Coulter
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Maat der
Night Dancer,
sie dazu überredet aufzuhören. Der junge Mann von 23 Jahren, der aus Yorkshire stammte und bei jedem Witz wie ein Schuljunge rot wurde, hatte gesagt: »Nun, Hallie, jetzt ist’s aber genug. Du hast’s ja geschafft, ja, hast du. Wir wolln doch nich, daß du Schwielen an de Hände kriegst, oder?«
    Wie alle seine Matrosen trug sie ein rot-weiß gestreiftes Wollhemd zu groben blauen Kattunhosen. Die saßen, wie bei den Matrosen, ihrem kleinen Körper so eng an wie ein Handschuh, und hatten nur unten einen breiten Schlag. Auf dem Kopf hatte sie einen geteerten Strohhut mit breiter Krempe, von der bei Regen das Wasser gut ablaufen konnte. Teer und Öl hatten ihn schwarz gefärbt und wasserdicht gemacht. Vor allem aber schützte er Hallies hellhäutiges Gesicht vor der Sonne. Er hatte ihr gesagt, er wolle nicht erleben, daß sie die erste Vierjährige würde, die ein verwittertes Ledergesicht bekäme wie Punko, der alte Segelmacher.
    Hallie hatte die blauen Augen auf ihn gerichtet und gesagt: »Wirklich, Papa, ich bin schon fast fünf.«
    »Entschuldige«, sagte er und zog ihr den Hut vorn beinahe bis zu den Augenbrauen herunter. »Wenn du schon beinahe fünf bist, bin ich ja ein alter Mann. Nicht lange nach deinem Geburtstag werde ich zweiunddreißig.«
    Hallie musterte ihn mit durchdringendem Blick. »Nein, du bist nicht alt, Papa. Da bin ich derselben Ansicht wie Miß Blanchard. Du bist ein schöner Mann. Sogar Mrs. Swindel guckt dich manchmal mit Stielaugen an.«
    »Miß Blanchard«, wiederholte Alec verdutzt mit schwacher Stimme.
    »Sie war doch mal hier, erinnerst du dich nicht? Im Mai, als wir in London waren. Du hast sie zu Besuch mitgebracht. Sie hat gelacht und dir gesagt, wie schön du bist und daß sie dir irgendwas Gutes antun wollte, und du hast ihr gesagt, ihr Hintern sei auch nett anzusehen und …«
    »Schon gut, das reicht«, sagte Alec und verschloß ihr den Mund mit der Hand. Er sah, wie Tucknor ihn anstarrte und sich das Lachen verkniff. Alec fühlte sich sehr schuldig, hätte aber andererseits wie ein Verrückter loslachen können. An diesen Nachmittag vor fünf Monaten erinnerte er sich gut. Er hatte damals gedacht, Hallie wäre bei Mrs. Swindel, ihrem Kindermädchen, in deren Londoner Stadthaus. Deshalb hatte er Eileen Blanchard eingeladen, eins seiner Schiffe zu besichtigen, als sie ihn darum bat. Nachträglich wurde ihm heiß und kalt. Ein Glück, daß er sie wenigstens nicht ins Bett gezogen hatte. Hallie hätte hereinplatzen und in ihrer ruhigen neugierigen Art fragen können, was sie da machten.
    Hallie war ein frühreifes Mädchen, manchmal eine Nervensäge, dabei sehr ernst und so hübsch, daß ihm zuweilen die Tränen in die Augen treten wollten, wenn er sie nur anschaute. Und sie gehörte ihm. Ein Gott hatte sie ihm geschenkt, der ihm seinen Groll, seine Kälte und seine anfängliche Bitterkeit verziehen hatte.
    Mit den nackten Zehen schlug sie den Takt zu Pippins Shantygesang. Es war ein ulkiges Lied über einen Kapitän, der sein Schiff und die gesamte Ladung an den Teufel verloren hatte, weil er zu dumm war zu merken, daß bei einem Herrn mit Mistgabel und einem Schwanz Vorsicht geboten war. Pippin war an Bord Alecs Kabinenboy und an Land sein zukünftiger Kammerdiener, ein intelligenter fünfzehnjähriger Junge, den seine Mutter als Säugling auf der Treppe der St. Pauls-Kathedrale abgelegt hatte. Der Junge verehrte ihn und liebte Hallie.
    Alec schaute zum Fockmast hoch. Es herrschte beständiger Nordwestwind. »Mr. Pitts, luven Sie etwas an!« rief er dem ersten Steuermann Abel Pitts zu, der seit sechs Jahren bei ihm war und sich mit den Eigenschaften eines Schiffs genauso gut auskannte wie mit den Launen seines Kapitäns.
    »Aye, aye, Käpt’n«; rief Abel zurück. »Ich habe gerade diesen verdammten Albatros beobachtet, der uns dauernd nachfliegt.«
    Alec grinste. Der Albatros, dessen Flügel an die fünf Meter Spannweite hatten, machte Sturzflüge, brauste weg, kehrte zur Schonerbark zurück und jagte dann wieder davon. Es war ein schöner Tag Anfang Oktober. Die Sonne schien kräftig, der Himmel war tiefblau mit blendend weißen Wölkchen, das Meer ruhig und der Wellengang eine sanfte Dünung. Wenn der Wind anhielt, würden sie am nächsten Morgen die Chesapeake-Bucht erreichen. Danach mußten sie noch 150 Meilen durch die Bucht navigieren, um das Binnenbecken zu erreichen. Dann würde er in Baltimore Mr. James Paxton besuchen – oder dessen Sohn Mr.
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