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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01
Autoren: Christoph Hardebusch
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Seit dieser Entdeckung schlief er in Feldern, bewegte sich abseits der großen Reiserouten und quartierte sich, wenn, dann nur unter falschem Namen ein – Huido, der Flüchtige. Erst jetzt, nahe der Grenze, hatte er es gewagt, seine letzten Reserven in ein Lasttier zu investieren und wieder auf den Straßen zu reisen. Bald schon musste er Favare erreichen, wo die Bewohner den Soldaten des Königs nicht wohlgesonnen waren und ihnen aus Prinzip keine Auskunft erteilen würden. Das Risiko wurde also geringer. Und ich habe keine Lust mehr auf dieses Versteckspiel. Ich bin es leid, auf hartem Boden zu schlafen und eine Handvoll Bucheckern ein opulentes Mahl zu nennen. Und die Schmerzen in meinem verdammten Fuß lassen mir selbst eine Fahrt auf dem Henkerskarren erstrebenswert erscheinen.
    Wenigstens hatte es aufgehört zu regnen. Ohne vernünftige Reisekleidung war Franigo mehr schlecht als recht gegen die Elemente geschützt. Aber mein Zorn feit mich gegen die Kälte; er hält mich warm, er nährt mich! Obwohl ich im Augenblick nichts gegen ein saftiges Stück Rehrücken als zusätzliche Nahrung einzuwenden hätte.
    Es verblüffte ihn, wie wenig er den Lustbarkeiten der letzten Wochen hinterhertrauerte. Viel mehr schmerzte ihn, dass sein Name nun in den Schmutz getreten wurde. Die Naschereien, die schöne Wohnung, die teure Kleidung, die Frauen – all das war nur Ausdruck der Auswirkungen seines Talents auf die Welt gewesen. Und nun wurde all dies zerstört, von einem missgünstigen Militär, der eine Opernarie vermutlich nicht von einem Trinklied unterscheiden konnte. Den Wegfall der Annehmlichkeiten konnte Franigo hinnehmen; der Verlust der Anerkennung war es, den er zutiefst bedauerte.
    Noch bevor der Abend dämmerte, erreichte er ein kleines Dorf, wenig mehr als eine Ansammlung von Gehöften. Das Land wurde hier schon deutlich bergiger, und an den Hängen standen die Rebstöcke in Reih und Glied wie disziplinierte Soldaten. Bei dem Anblick überkam den Poeten spontan Lust auf einen Becher Wein. Auf Dauer konnte Wasser allein, so frisch und klar es auch in Bächen sein mochte, seinen Durst nicht stillen. Eine kleine Verwünschung gegen Bouflon murmelnd, beschloss Franigo, heute zumindest in dem Dorf einzukehren. Die Eselin schien seine Gedanken zu lesen, denn sie beschleunigte ihre Schritte, und schon bald stand sie im Stall, während Franigo es sich auf einer Bank gemütlich machte, seinen Fuß hochlegte und an dem Wein der Region nippte. Es war junger Wein und sicherlich nicht der beste der Gegend, doch in diesem Augenblick hätte Franigo sogar das süße Gepansche getrunken, das von einigen Damen der Gesellschaft bevorzugt wurde.
    »Seid Ihr ein Bänkelsänger?«
    Die Frage der Wirtin überraschte Franigo. Er schüttelte den Kopf. Seine Stimme war nicht ausgebildet, und er hatte es niemals für nötig befunden, die Ergüsse anderer Schreiberlinge auswendig zu lernen. Sein eigenes Repertoire würde den einfachen Menschen hier nicht gefallen, da war er sich sicher. Obwohl … ein Barde ist selten ein hungriger Mann.
    »Kein Bänkelsänger, Meséra, aber ich weiß wohlfeile Reime zu schmieden. Vielleicht kann ich Euch mit diesen unterhalten?«
    »’n Geschichtenerzähler?«
    »In gewissem Sinne, ja. Nur verpacke ich die Geschichten in Lyrik, lehrreiche Aphorismen und dergleichen.«
    Ihre Miene zeigte Unverständnis. Mit einem Seufzen erklärte Franigo: »Ein Geschichtenerzähler, ja.«
    »Ah, das ist schön. Gibt nich’ viele, weil … wegen der großen Straße östlich. Seit dem Krieg reist kaum wer. Hat ja keener Geld inne Taschen.«
    Ihre Misshandlung der Sprache schmerzte Franigos Ohren, aber mit seinem flachen Geldbeutel konnte er sich keine allzu große Empfindsamkeit mehr leisten. In dem Dorf lebten hauptsächlich Weinbauern und deren Knechte und Mägde. Selbst wenn man mit Wein ein gutes Geschäft machen konnte, würde das Volk hier eher einfach sein und sich vermutlich an ebensolchen Reimen erfreuen. Kurz bedauerte er, dass die anzüglichen Gedichte nur noch in Fragmenten in seiner Erinnerung vorhanden waren, denn sicherlich hätten sie hier ein dankbares Publikum gefunden.
    Aber vermutlich konnte er sie rekonstruieren oder zur Not aus dem Stegreif dichten. Vielleicht fand er sogar die eine oder andere Inspiration unter der jungen, weiblichen Dorfbevölkerung? Bei der Einheit, Franigo! Du warst zu lange nur in Modestines Gesellschaft, wenn dir diese Landpomeranzen plötzlich reizvoll erscheinen! Da fielen
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