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Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd
Autoren: M Quandt
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dem lautstarken Ende hatte der Terror begonnen, und zwar in Form von Telefonanrufen zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten. Meistens war nur in den Hörer gestöhnt worden, manchmal hatte jemand mit verstellter Stimme vor sich hin geflucht und einmal sogar geheult. Dieser Jemand war natürlich Rollo gewesen. Als Laura ihre Nummer geändert hatte, war er zu Hausbesuchen übergegangen; mal hatte er mit einem Strauß roter Rosen vor der Tür gestanden, dann wieder mit einem Bukett wüster Beschimpfungen. Die Polizei war zum Dauergast geworden, denn fast täglich musste der übergeschnappte Ex aus dem Haus gezerrt werden.
    Laura hatte sogleich das Türschloss auswechseln lassen, doch damit konnte sie ihn lediglich aus ihrer Wohnung bannen, sein Zutritt zum Treppenhaus blieb von dieser Vorsichtsmaßnahme unberührt, da er einen Hausschlüssel besaß. Das Schloss der Haustür wiederum konnte nicht beliebig ersetzt werden, denn das hätte bedeutet, alle anderen Mieter, insgesamt dreiundzwanzig Parteien, auszusperren.
    Als ihm endlich aufgegangen war, dass sie ihn nicht mehr in die Wohnung lassen würde, hatte er angefangen, sie auf der Straße abzupassen, beispielsweise wenn sie zur Uni ging oder zum Einkaufen.
    »Da sind uns die Hände gebunden«, hatte der Polizeibeamte achselzuckend gesagt, nachdem sie ihr Problem auf der Wache vorgetragen hatte. »Wir können niemandem verbieten, sich frei zu bewegen. Und solange er Ihnen nichts antut …«
    »Solange er mir nichts antut? Was soll denn das heißen? In letzter Zeit ist er ständig betrunken, und wenn er trinkt, gerät er außer Kontrolle. Der Mann ist gefährlich.«
    Der Beamte hatte gelacht. »Na, so gefährlich kann er nun auch wieder nicht sein. Immerhin haben Sie mit ihm unter einem Dach gelebt seit – wie lange sagten Sie? – sieben Jahren?«
    »Schon, aber früher hat er nicht getrunken. Wenigstens nicht so viel wie jetzt. Das hat er sich erst angewöhnt, seit er vor einem halben Jahr arbeitslos wurde. Danach hat er nicht mehr mit dem Trinken aufgehört.«
    »Hat er Sie geschlagen?«, wollte der Beamte wissen. Seine Ungeduld war deutlich spürbar. »Hat er Sie tätlich angegriffen?«
    Laura schüttelte den Kopf. »Nicht, seit ich ihn rausgeworfen habe. Das liegt allerdings allein daran, dass er dazu keine Gelegenheit hatte. Ich begebe mich nämlich nur noch an belebte Orte.« Sie sog hörbar die Luft ein. »Er ruft mich auf der Arbeit an, und in der Uni geht er dem Sekretariat auf die Nerven und behauptet, mich dringend sprechen zu müssen. Das macht er mehrmals am Tag. Können Sie sich vorstellen, wie peinlich mir das mittlerweile ist? Und wenn ich aus der Vorlesung komme, steht er bereits da und läuft mir hinterher. Ich kann nirgendwo hingehen, ohne seinen Schatten im Genick zu spüren. Er folgt mir auf Schritt und Tritt.«
    »Das ist nicht verboten«, sagte der Beamte.
    Laura wurde wütend. »Ach ja? Und was ist mit den anderen Gemeinheiten? Er hat meinen Briefkasten aufgebrochen und klaut meine Post. Ist das etwa auch nicht verboten? Gestern Morgen hat unter meiner Fußmatte ein Haufen Hundekot gelegen. Nettes Gefühl, auf so was draufzutreten. Glauben Sie, da war ein verstörter Vierbeiner am Werk, der sich geschämt hat, sein Geschäft offen herumliegen zu lassen? Und dann die Zettel, die mir jede Nacht unter der Tür durchgeschoben werden. Von wem mögen die wohl stammen?«
    Der Beamte furchte die Stirn. »Zettel? Was für Zettel?«
    Laura wühlte in ihrer Handtasche und förderte einen Packen eselsohriger Blätter zutage, die sie auf den Schreibtisch knallte. Wie man unschwer erkennen konnte, handelte es sich um Briefe. Der Schreiber hatte eine krakelige Kinderschrift. »Da!«, fauchte sie.
    Es vergingen fast fünf Minuten, in denen der Polizist las. Außer einem gelegentlichen Brummen gab er keinen Laut von sich. »Ich weiß nicht, was Sie wollen«, ließ er sich schließlich vernehmen. »Das sind verzweifelte Liebesbriefe. Nicht die leiseste Andeutung einer Drohung. Es ist nicht verboten …«
    Sie fiel ihm ins Wort. Die Ignoranz ihres Gegenübers machte sie zornig. »Ich – will – diese – dämlichen – Briefe – nicht!«, sagte sie, jedes einzelne Wort wie eine Beschwörungsformel betonend. »Haben Sie eine Ahnung, was es für ein Gefühl ist, wenn man nachts im Bett liegt und weiß, dass jemand im Treppenhaus herumschleicht? Ich wette, er schiebt nicht nur seine Zettel unter der Tür durch, sondern verbringt die halbe Nacht mit
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