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Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)

Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)

Titel: Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
Autoren: Kerstin Wassermann
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Souvenirs und Kunsthandwerk verkaufe. Meine Wohnung liegt im ersten Stock direkt darüber. Beides bildet praktisch eine Einheit. Man muss durch die Geschäftsräume, um in die Wohnung zu kommen.« Sie machte eine kurze Pause und biss sich auf die Unterlippe.
    Suna merkte, wie schwer es ihr fiel, ihre Geschichte zu erzählen. Daher drängte sie sie nicht, sondern wartete geduldig ab, bis sie von sich aus weitersprach.
    »Es war ein Freitag im letzten Jahr, Ende November«, fuhr sie schließlich fort. »Ich war an dem Abend mit Freunden verabredet, genauer gesagt mit Carolin Becker, meiner Angestellten, und Mark Sennemann, einem Freund von mir, dessen Wohnung ganz in der Nähe meines Ladens lag. Wir wollten zuerst ins Kino gehen und anschließend vielleicht noch auf ein paar Drinks in eine Cocktailbar, die gerade neu in Westerland eröffnet hatte.«
    Wieder stockte sie, und als sie ihre Erzählung fortsetzte, klang ihre Stimme brüchig.
    »Gegen halb neun kam Carolin, um mich abzuholen. Sie hatte am Nachmittag freigehabt. Nun, als sie am Hynsteblom ankam, war die Tür des Ladens offen. Carolin hat sich natürlich darüber gewundert, dass der Laden nicht abgeschlossen war, hat aber gedacht, ich hätte es einfach nur vergessen. Sie ist also direkt hoch in meine Wohnung gegangen – und da hat sie uns gefunden. Mark lag tot auf dem Boden. Er hatte eine Wunde von einer Schere im Hals, die ihm seine Halsschlagader aufgerissen hatte. Er muss sehr schnell verblutet sein. Und ich saß neben ihm und hatte die Schere immer noch in der Hand.«
    Inzwischen sprach sie so leise, dass Suna sich zu ihr vorbeugen musste, um jedes Wort verstehen zu können.
    »Sie selbst können sich nicht mehr daran erinnern?«, folgerte sie aus ihrem Bericht.
    Fenja lächelte verlegen, dann schüttelte sie den Kopf. »Es ist alles weg. Totaler Filmriss. Ich weiß das alles überhaupt nur, weil man es mir erzählt hat. Ab und zu träume ich davon, sehe Marks entsetztes Gesicht vor mir und das Blut, das aus seinem Hals sprudelt. Aber ich habe keine Ahnung, welche Bilder tatsächlich Teil meiner Erinnerung sind, und welche nur meiner Fantasie entspringen. Nach Meinung meiner Ärzte scheint der teilweise Gedächtnisverlust wohl normal zu sein. Sie haben eine posttraumatische Belastungsstörung bei mir diagnostiziert. Es ist fraglich, ob ich mich jemals wieder richtig an die Ereignisse erinnern kann.«
    »Aber die Fakten sind gesichert? Ich meine, es gab doch sicher polizeiliche Ermittlungen, oder?«, hakte Suna nach. Sie wunderte sich, dass Fenja jetzt vor ihr saß und nicht in Untersuchungshaft.
    Diese nickte. »Natürlich. Doch das Verfahren wurde relativ schnell eingestellt.« Als sie den erstaunten Blick der Privatdetektivin sah, lächelte sie matt. »Der Staatsanwalt geht davon aus, dass ich in Notwehr gehandelt habe, weil Mark mich fast erwürgt haben muss. Auch daran erinnere ich mich nicht, aber zumindest hatte ich deutliche Würgemale an meinem Hals. Die anderen denken, dass Mark mich bedrängt hat, sexuell, meine ich. Und dass ich mich gewehrt habe und er deshalb aggressiv geworden ist.«
    »Aber Sie glauben das nicht?«
    Sie zuckte die Achseln und begann wieder, ihre Handtasche zu kneten. Ihr Blick hetzte unruhig hin und her. »Ich – ich weiß nicht. Ich bin mir sicher, dass irgendetwas vorgefallen sein muss. Ich muss absolut in Panik gewesen sein, in höchster Lebensgefahr, um etwas so Schreckliches zu tun, das ist mir schon klar. Aber andererseits passt aggressives Verhalten überhaupt nicht zu Mark, kein bisschen, verstehen Sie? Er war einer der ruhigsten und ausgeglichensten Menschen, die ich kenne. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er mich vergewaltigen wollte. So war er nicht. Das hätte überhaupt nicht zu ihm gepasst.«
    Stille Wasser sind tief, dachte Suna, sprach es aber nicht aus. Floskeln solcher Art waren jetzt bestimmt das Letzte, was Fenja sich anhören wollte. »Und deshalb soll ich für Sie nachforschen, aus welchem Grund Ihr Freund Sie angegriffen hat?«, fasste sie noch einmal zusammen.
    Ihre zukünftige Klientin nickte. »Ich weiß, dass ich keine juristischen Konsequenzen mehr zu befürchten habe, aber ich muss wissen, was wirklich passiert ist. Ich denke, das ist die einzige Möglichkeit für mich, wieder einigermaßen zur Ruhe zu kommen.« Sie verzog verlegen ihr Gesicht. »Das hört sich absurd an, oder?«
    »Überhaupt nicht«, widersprach Suna überzeugt. Sie konnte gut verstehen, was Fenja meinte. In den
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